In den letzten Tagen sind zwei bemerkenswerte Vorgänge offenbar geworden, die die Frage aufkommen lassen, wie es mit der Beziehung zwischen Polizeibehörden und Wirtschaftsunternehmen bzw. deren Austausch von personenbezogenen Daten steht.
Es geht um die Bundespolizei und um die Deutsche Bahn AG.

Deckblatt eines Vorauslage-Berichts der ZIS für die letzte Bundesliga-Spielrunde der Saison 2012/2013
1. Überwachung von Fußballfans
Aus einem Blogbeitrag auf www.publikative.org, einem von der Amadeu Antonio Stiftung getragenen Weblog, wird über die Datensammelwut der Bundespolizei im Rahmen der Vorberichte zu Fußball-Bundesliga-Wochenenden berichtet:
„Der Aufwand, den die Polizei betreibt, um Fußballfans zu überwachen, nimmt mittlerweile Ausmaße wie in einem Überwachungsstaat an. Zu jedem Spiel der 1., 2. und 3. Liga werden die Anfahrtswege der Auswärtsfans ausgeforscht und diese Daten gesammelt. Zehntausende Fans der Kategorie A stehen somit jede Woche im Fokus, wie ein internes Dokument belegt.“
Die so genannten Vorauslage-Berichte der umstrittenen ZIS, der (ziemlich wortkarten und zudem umstrittenen) Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze, die bundesweit für die Sammlung von Informationen über die Fußballfanszene zuständig ist, sind in ihrer Ausführung für den letzten, den 34. Spieltag vom vergangenen Wochenende sowohl für die erste als auch für die zweite Bundesliga an die Fanszene geraten und genauer untersucht worden und liegen hier vor.
Publikative.org dazu:
„Die uns vorliegenden Berichte offenbaren eine erstaunliche Sammel- und Erfassungswut der Behörden im Hinblick auf die Anreisewege von Fußballfans zu den Spielorten. Vor allem aber werden mehrheitlich Fans in den Lageberichten erfasst, die selbst nach Einschätzung der Polizei zur “Kategorie A” gehören – also noch nicht mal “anlassbezogen” als gewalttätig einzustufen sind.“
Aber woher hat die Bundespolizei die zum Teil sehr detaillierten Informationen über die Reisewege fußballbegeisterter Fans, die den Eindruck machen, als betreibe da jemand eifrig eine Sammlung von Bewegungs- oder Reisedaten? Der Blogbeitrag zeichnet drei denkbare Möglichkeiten:
1. Eine systematische Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei der Deutschen Bahn AG: Informationen über Gruppenreisen und Reisende könnten demnach gesammelt und an die Polizei weitergegeben werden. Die sogenannten “Szenekundigen Beamten” (SKBs) könnten dann anhand der Namen in etwa auswerten, um welche Gruppierung es sich handeln könnte.
2. Die SKBs durchforsten selbst systematisch Foren und andere Informationskanäle und prüfen dann ihrerseits entsprechende Bahnbuchungen.
3. Es handelt sich um Informationen, die von in der Fußballfanszene eingeschleusten V-Leuten stammen.
Keine der drei Varianten macht froh.
Für einen Umgang der Daten nach Möglichkeit 1 durch die DB AG gäbe es keinerlei Rechtsgrundlage (wobei die Deutsche Bahn ja nicht unbedingt als der zuverlässigste Partner in Sachen Schutz der Privatsphäre gilt), die Option 2 scheint angesichts des damit verbundenen Aufwands für die „szenekundigen Beamten“ unglaubwürdig (außer, es gäbe eigens dafür eingerichtete und technisch ausgerüstete Abteilungen …) und die Unterwanderung von Szenen mit durch Steuergelder bezahlte Spitzel, wie in Variante 3 beschrieben, ist ebenso abzulehnen wie der Einsatz von V-Leuten in irgendwelchen anderen Zusammenhängen. Ich zumindest lehne so etwas kategorisch ab.
Wie auch immer: der bundespolizeiliche Bericht wimmelt nur so von der Nennung zahlreicher KFZ-Kennzeichen der Reisebusse, mit der jeweilige einzelne Gruppen von Fans von A nach B reisen, die Benennung von zum Teil sehr genauen Angaben der Größen von Reisegruppen mitsamt Angabe der jeweiligen Zugverbindungen, die benutzt werden.
Der Datenaustausch zwischen Bundespolizei und den Fußballvereinen sowie der Deutschen Bahn AG scheint bestens organisiert zu sein und es stellen sich mir Fragen:
Inwieweit dürfen Deutsche Bahn und die Profivereine solche zweckgebundenen Daten sammeln und weitergeben?
Und erhalten diese privatwirtschaftlich organisierten Betriebe in gleichen Zusammenhängen ebenfalls persönliche Daten von so genannten „Problemfans“?
Ist so ein Datensammelsystem ohne einen bidirektionalen Datenaustausch überhaupt möglich?

Der Kottbusser Bahnhof in Berlin – ein Vorzeigeobjekt der DB AG mit insgesamt ca. 57 Kameras im Dienste eines Systems zur automatisierten Erkennung „abnormalen Verhaltens“ … (CC-BY-SA Michael Ebeling)
2. Videoüberwachung an Bahnhöfen
Wie heute frisch vermeldet wurde, möchten die Innenminister und die eine Innenministerin von Bund und Länder dafür „sorgen“, dass die Bahnhöfe in Deutschland mit mehr Videoüberwachung ausgestattet werden. Vom medial groß verkündeten Widerstand einiger SPD-Innenminister ist offenbar nicht viel übrig geblieben.
Umso interessanter die Information, dass die Deutsche Bahn AG und Bundespolizei auch auf diesem Gebiet enge Zusammenarbeit und Datenaustausch pflegen.
So teilte das Bahnhofsmanagement der so genannten 3-S-Zentrale (3-S = „Service, Sicherheit und Sauberkeit“) im Hauptbahnhof Hannover mit, dass Sie zwar zahlreiche Kameras im Bahnhof installiert habe, dass sie aber nicht bereit seien, sich mit uns (angefragt hatte die hannoversche Ortsgruppe des AK Vorrat) zu einer Besichtigung und/oder Diskussion zu treffen.
Begründung:
Nur die Bundespolizei würde mit Hilfe der DB-Kameras Aufzeichnungen machen, nur die Bundespolizei würde auf diese Aufzeichnungen Zugriff haben und nur die Bundespolizei sei für den Einsatz der Videotechnik entscheidungsbefugt zuständig. Auf mich macht das den Eindruck, als könne die DB gar nichts dafür, dass in ihren Bahnhöfen so viele Kameras hängen würden.
Anlaß für diese Antwort war – nebenbei gesagt – eine Anfrage im Rahmen des bevorstehenden internationalen Aktionstags zur Videoüberwachung am 8. Juni. Neben anderen Vorhaben hatte der AK Vorrat Hannover alle Betreiber größerer Videoüberwachungs-Zentralen in Hannover mit der Bitte um Besichtigung und Diskussionsgelegenheit angeschrieben.
Die 3-S-Zentralen betreiben auf Grundlage von Verträgen eine große Zahl von Kameras samt Aufzeichnungstechnik auf eigene Kosten. Der Bundespolizei wird der Zugriff auf Steuerung und Aufzeichnungstechnik gewährt – kostenlos. Eine interessante Konstallation.
Übrigens:
Trotz einer weiteren Nachfrage an das hannoversche Bahnhofsmanagement, dass wir durchaus Interesse an einem Treffen hätten, selbst wenn die Deutsche Bahn keine Aufzeichnungen vornimmt sondern „nur“ eine „Live“-Überwachung der Bahnhofsgäste durchführt, bescherte uns kein Entgegenkommen: man unterstellte uns einfach weiterhin, dass wir uns dafür gar nicht interessieren würden …
Und von der von uns ebenfalls angefragten Bundespolizei haben wir noch keine Rückmeldung auf unsere Anfrage erhalten …
Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung von Micha wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.
Der Text scheint mir ein bisschen den Datenaustausch Polizei/DB mit den Polizei/Busunternehmen zu vermischen.
Die Informationen über Busreisen und die Nennungen der vielen Kfz.-Kennzeichen können eigentlich nur von den Busunternehmen selbst stammen, die natürlich i.d.R. nichts mit der DB AG zu tun haben. Für viele Fußballfans die öfter in organisierten Busreisen ihrer Mannschaft hinterher fahren wird diese zweifelhafte Zusammenarbeit zwischen Busunternehmen und Polizei auch (leider) keine neue Information sein.
Die aufgeführten drei denkbaren Möglichkeiten bezieht publikative nur auf Zugreisen (und damit die DB), welche in dem Papier der ZIS ebenfalls teils sehr detailliert erfasst sind.