In den letzten Tagen haben sich gleich drei derzeit bzw. ehemals für Sicherheitsfragen verantwortliche Minister zu den Spionageprogrammen fremder Geheimdienste geäußert. Mit den Aussagen des Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU), seines Amtsvorvorvorgängers Otto Schily (SPD), und des Kanzleramtsministers Ronald Pofalla (CDU) war aus jeder der drei Parteien, die im Kern für die Auswüchse des deutschen Überwachungsapparates in den vergangenen fünfzehn Jahren verantwortlich sind, ein gewichtiges Wort zu den in der Geschichte bislang einzigartigen Vorfällen zu vernehmen.
Allen drei Äußerungen war dabei der verharmlosende, relativierende und – wie so oft, wenn es um die Überwachung der Bevölkerung geht – mit der ewigen Terrorbedrohung rechtfertigende Ton gemein. Von ‚es geht alles nach Gesetz und Ordnung vor‘ über ‚es findet keine Wirtschaftsspionage statt‘, ‚wir brauchen das unbedingt‘ und ‚es wird übertrieben‘ bis hin zu ‚die Furcht vor dem Überwachungsstaat ist paranoid‘ war alles dabei, was die Protagonisten des Sicherheitswahns üblicherweise an Floskeln ins Feld führen, um ihr Handwerk des Schleifens unserer Grundrechte zu rechtfertigen. Ganz so, als sei vieles von dem, was vor zwei Monaten noch Paranoia genannt wurde, heute nicht als furchtbare Realität erkennbar.
Dieses Verharmlosen, Relativieren und Schönreden ist ebenso schändlich wie gefährlich. Denn es steht zweifelsfrei fest, dass PRISM und TEMPORA das verfassungsmäßig garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen. Jedes Programm einer ausländischen Macht, das dieses Recht substanziell unterminiert, muss als Bedrohung für, wenn nicht gar als Angriff auf unser Land gewertet werden. Es ist die beeidete Pflicht eines jeden Ministers, einer solchen Gefahr mit aller Kraft entgegenzutreten und sie zu beseitigen. Im Amtseid der Bundesminister heißt es dazu wörtlich:
Was wir aber statt dessen erleben, ist, dass sowohl der für die Sicherheitsbehörden des Bundes zuständige Innenminister, als auch der für die Geheimdienste verantwortliche Kanzleramtsminister ihre substanzielle Untätigkeit und unkritische Folgsamkeit gegenüber den mächtigen Freunden, die gar keine sind, hinter den genannten üblichen Floskeln verstecken, und die Attacken auf unser aller Privatsphäre mit dem üblichen ‚alternativlos‘-Aufkleber versehen. Mit dem, was die Herren Friedrich und Pofalla tun bzw. nicht tun, werden sie ihren verfassungsmäßigen Aufgaben aber bei weitem nicht gerecht, und bewegen sich gefährlich nahe an Strafvereitelung und Verletzung des Amtseids.
Jeder Einzelne von uns hat einen Rechtsanspruch darauf, dass die zuständigen Minister ihrer Verpflichtung Folge leisten und die Verletzung von Grundrechten, wo immer sie erkannt wird, nach Kräften zu vermeiden und beenden helfen. Minister, die entweder in Ermangelung von Rückgrat oder aus politischer Überzeugung heraus ihren Aufgaben nicht gerecht werden, braucht unser Land gerade in Zeiten, in denen seine Einwohner angegriffen werden, nicht. Und wenn die Herren Minister nicht willens oder in der Lage sind, einen radikalen Kurswechsel zu vollziehen, ist natürlich auch die Bundeskanzlerin in der Pflicht, ihrerseits ihrem Amtseid gemäß für Abhilfe zu sorgen.
Ob die dafür nötige Besinnung auf den Wert der Grundrechte der Menschen von hinlänglich bekannten Überwachungsfreunden erwartet werden kann, darf allerdings bezweifelt werden.
Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Kai-Uwe Steffens wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.