Bestandsdaten

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Unsere Freunde von der Humanistischen Union rufen für den 7.11. dazu auf, den Inlandsgeheimdienst symbolisch in den Ruhestand zu schicken. Ein guter Vorschlag, den auch die Ortsgruppe Berlin des Arbeitskreises Vorratsspeicherung unterstützt, weil der „Verfassungsschutz“ und seine Führungskräfte immer eifrige Verfechter und Nutznießer von Bestandsdaten sowie der anlasslosen Erfassung der Telekommunikationsverbindungsdaten aller Menschen waren (und teilweise noch immer sind).

Aus der Einladung der Kampagne „ausgeschnüffelt“ der Humanistischen Union:

Am Freitag, den 7. November 2014, wird der deutsche Inlandsgeheimdienst mit dem irreführenden Namen „Verfassungsschutz“ 64 Jahre alt. Wir schicken ihn in Frührente! Dafür stellen wir uns vor die Tore des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin-Treptow – mit einem überdimensionalen Rentenbescheid im Gepäck und lassen die Sektkorken knallen. Kommt zur Aktion!


Wann: Freitag, 7. November, 11:00 – ca. 12:00 Uhr
Wo: Elsenstr. 22, vor der Einfahrt zum GTAZ (nahe S-Bahnhof Treptower Park, Berlin)

Es gibt gute Gründe, den „Verfassungsschutz“ in Rente zu schicken: Seine Blindheit auf dem rechten Auge hat mit fortgeschrittenem Alter nur zugenommen. Wer als Sicherheitsbehörde über zehn Jahre lang ein rechtes Mördernetzwerk (NSU) unentdeckt lässt trotz zahlreicher Hinweise, hat versagt. Er ist eine Erfindung des Kalten Krieges und hat sich längst überholt. Schon zur Wende hätte man ihn abwracken sollen. Und er scheint an Inkontinenz zu leiden, da er immer wieder Dokumente an die NSA durchsickern lässt.

Ein Problem sind auch die Gemeinsamen Zentren mit anderen
Sicherheitsbehörden wie das GTAZ in Berlin. Sie entbehren bis heute jeder rechtlichen Grundlage. Geheimdienste und Polizeien sitzen hier Tür an Tür und treffen sich zu Lagebesprechungen. Dabei sollten die Behörden getrennt arbeiten, damit Geheimpolizeien wie die Stasi oder die Gestapo Vergangenheit bleiben.

Schreibt bitte eine kurze Rückmeldung an , wenn ihr zur Aktion kommen wollt, damit wir planen können. Und bringt gerne Banner und Plakate mit, die zu dem Thema passen.

Daher rufen wir als Ortsgruppe Berlin zu reger Beteiligung an dieser Aktion auf!

CDU/CSU, FDP und SPD haben dieses Jahr dem unverhältnismäßig weit reichenden Gesetz zur Offenlegung unserer Identität und unserer Passwörter im Netz gegenüber Polizei und Geheimdiensten zugestimmt, gegen das wir eine Sammel-Verfassungsbeschwerde organisiert haben. Den Bundesrat hätte dieses Gesetz ohne Zustimmung der SPD-Länder nicht passieren können.

Nun verteidigt Kanzlerkandidat Steinbrück, dass die SPD wie gewohnt für mehr Überwachung gestimmt hat. Hier seine E-Mail vom 3. September:

Sehr geehrter Herr Breyer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 20. März 2013 zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft. Bitte entschuldigen Sie die Verspätung meiner Antwort. Sie ist der Fülle an Zuschriften geschuldet, die mein Büro derzeit erreicht. Sie kritisieren, dass die SPD-Fraktion dem Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft am Donnerstag, dem 21. März 2013, im Plenum des Deutschen Bundestages zugestimmt hat. Ich teile Ihre Auffassung nicht und möchte Ihnen gerne erläutern, warum ich dem Entwurf in der jetzigen Fassung gestimmt habe:

Der Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft“ (Drs.17/12034) wird mit einem gemeinsamen Änderungsantrag der CDU/CSU-, FDP- und SPD-Fraktion im Bundestag beschlossen. Es ist uns gelungen, die Regierungskoalition von deutlichen Verbesserungen im Rechtschutz für die Betroffenen zu überzeugen: Auf unsere Initiative enthält das Gesetz jetzt u.a. Regelungen zu Benachrichtigungspflichten und einen Richtervorbehalt für besonders sensible heimliche Maßnahmen.

Eine Neuregelung der Bestandsdatenauskunft war zwingend erforderlich: Mit der Gesetzesnovelle muss bis Ende Juni 2013 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden. Die Bestandsdatenauskunft regelt, dass Telekommunikationsanbieter den zuständigen Stellen Auskunft zu den bei ihnen gespeicherten Kundendaten geben müssen, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist. In keinem Fall erhalten die Behörden aber Informationen über konkrete Verbindungsdaten (also Verkehrsdaten im Gegensatz zu Bestandsdaten), d.h. wer wann mit wem telefoniert hat oder wo sich ein Handy zu einer bestimmten Zeit befunden hat. Eine „Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür“ ist es also gerade nicht. Dabei reichen die Anwendungserfordernisse von der Aufklärung von Kinderpornographie im Netz bis zur Ermittlung des Telefonanschlussinhabers zur Rettung bei angekündigtem Suizid. Daher wird die grundsätzliche Notwendigkeit der Bestandsdatenauskunft nicht in Frage gestellt. Diese Einschätzung teilt explizit auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, in seiner Stellungnahme in der Anhörung des Deutschen Bundestages am 11.03.2013: „Dabei bin ich mir der grundsätzlichen Notwendigkeit der Bestandsdatenauskunft als Mittel einer effektiven Strafverfolgung durchaus bewusst“.

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hat nun den Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft (Drs.17/12034) spät, fast zu spät, vorgelegt. Dieser Regierungsentwurf adressierte ganz eng nur die Korrekturanforderungen des Verfassungsgerichts. Man plante eine Minimalumsetzung dessen, was man gerade noch für verfassungsrechtlich vertretbar hielt. Das ging uns nicht weit genug. Wir gießen jetzt nachträglich das rechtstaatliche Fundament unter den Rohbau des Koalitionsentwurfs zur Bestandsdatenauskunft. Durch den von der SPD-Fraktion maßgeblich mitverantworteten Änderungsantrag im Bundestag wird der Anwendungsbereich der Bestandsdatenauskunft insgesamt klarer gefasst. In den bundesgesetzlichen Rechtsgrundlagen gibt es jetzt bei Auskünften über dynamische IP-Adressen und über Zugangssicherungscodes Benachrichtigungspflichten, bei heimlichen Auskünften auf Zugangssicherungscodes zusätzlich einen Richtervorbehalt bzw. eine Befassung der G10-Kommission. Zur weiteren Entwicklung des Standards IPv6 wurde eine Berichtspflicht der Bundesregierung festgeschrieben. Vor allem durch die jetzt aufgenommenen Benachrichtigungspflichten haben Betroffene jetzt die Gewähr, gegen ihrer Ansicht nach rechtswidrige Auskünfte effektiven Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können.

Teilweise wird noch kritisiert, dass es eine Eilfallregelung gibt, die eine Abfrage von Zugangssicherungscodes ohne Richtervorbehalt ermöglicht. Das ist allerdings eine übliche Standardregelung, die es an vielen Stellen zum Beispiel in der Strafprozessordnung gibt. Auch im Eilfall ist die gerichtliche Entscheidung zudem unverzüglich nachzuholen, so dass das Erfordernis einer Prüfung durch einen Richter selbst im Eilfall gerade nicht umgangen werden kann. Für den Zugriff durch Nachrichtendienste ist – im Einklang mit der sonstigen Rechtssystematik – eine Kontrolle durch die G10-Kommission sichergestellt, die als unabhängiges und an keine Weisungen gebundenes Organ über die Zulässigkeit der durch die Nachrichtendienste des Bundes durchgeführten Beschränkungsmaßnahmen im Bereich des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses zu befinden hat. Die Behauptung mancher, dass bei einer Beschlagnahme beispielsweise eines Mobiltelefons der Richtervorbehalt entbehrlich sei, ist unzutreffend: Selbstverständlich steht bereits die Beschlagnahme selbst unter einem Richtervorbehalt. Es wurde lediglich darauf verzichtet, den Sachverhalt doppelt durch einen weiteren Richter erneut prüfen zu lassen. Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass auch Ordnungswidrigkeiten ein Anlass zur Einholung einer Bestandsdatenauskunft sein können: Ordnungswidrigkeiten sind nicht immer nur Lappalien, sondern können schwere Rechtsverstöße zum Beispiel im Wirtschaftsrecht oder beim Datenschutz betreffen. Selbstverständlich müssen dann auch Telekommunikationsbestandsdaten des Betroffenen ermittelt werden können. Das ist, anders als dies vereinzelt behauptet wird, auch nicht verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Bestandsdatenauskunft dazu ausdrücklich erklärt: „Angesichts des für sich gesehen begrenzten Informationsgehalts der betreffenden Daten sowie ihrer großen Bedeutung für eine effektive Aufgabenwahrnehmung ist diese Weite der Vorschrift jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.“ (BVerfG, 1 BvR 1299/05 vom 24.1.2012, Absatz-Nr. 177, http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20120124_1bvr129905.html)

Sicher kann man sich immer mehr wünschen und selbstverständlich ist es ein Kompromiss. Aber es ist ein guter Kompromiss. Wenn wir uns wie Grüne und Linke auf die pauschale Ablehnung des Regierungsentwurfs der schwarz-gelben Koalition beschränkt hätten, gäbe es jetzt wohl keine einzige der vielen Verbesserungen des Gesetzes. Das können wir zu Recht auf der Erfolgsbilanz der SPD notieren. Nach außen dokumentieren wir dies nun mit dem gemeinsamen Änderungsantrag und unserer Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf in der dann geänderten Fassung.

Mit vielen Grüßen

Peer Steinbrück

Meine E-Mail an Steinbrück und die übrigen Bundestagsabgeordneten lautete:

Betreff: Geplante Neuregelung der Bestandsdatenabfrage gefaehrdet die Grundrechte

Sehr geehrter Herr Steinbrück,

der Bundestag soll am Donnerstag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der vom Bundesverfassungsgericht gekippten Vorschriften zur Mitteilung von Telekommunikations- und Internetdaten einschließlich Handy-PINs und E-Mail-Passwörtern mit völlig unzureichenden Änderungen verabschieden (TOP15).

Der geänderte Gesetzentwurf unterschreitet nicht nur das ohnehin schwache bisherige Schutzniveau weiter. In mehreren Punkten verletzt er selbst die weiten verfassungsrechtlichen Grenzen, wie sich aus der folgenden Stellungnahme ergibt:

http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Bestandsdaten-StN#Nachbesserungen

Bitte stimmen Sie gegen die Beschlussempfehlung des Aussschusses und schützen Sie die Vertraulichkeit privater Kommunikation über das Internet!

Mit freundlichem Gruß,

Patrick Breyer

Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung

Stellungnahme:

Nach der vernichtenden Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf haben die Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD Änderungen beantragt. Diese sind jedoch völlig ungenügend. Passwörter und PINs dürfen in weitem Umfang ohne richterliche Anordnung angefordert werden (in Eilfällen, bei Geheimdiensten, bei Beschlagnahmen), Internetnutzer dürfen sogar stets ohne richterliche Prüfung identifiziert werden.

Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft geht weiterhin deutlich über die bisherige Rechtslage hinaus und baut Schutzvorschriften ab:

1. Es soll weiterhin eine elektronische Schnittstelle zur vereinfachten Abfrage von Kommunikationsdaten eingeführt werden.

2. Bundeskriminalamt und Zollkriminalamt sollen in weitem Umfang Zugriff auf Kommunikationsdaten erhalten, wo Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis bisher nicht gestattet sind (z.B. als Zentralstelle, zum Personenschutz).

In mehreren Punkten ist auch der geänderte Gesetzentwurf verfassungswidrig:

1. Es fehlt bereits die verfassungsrechtlich gebotene abschließende Bestimmung, welche Vorschriften einen Zugriff auf Kommunikationsdaten erlauben sollen (einfachgesetzliches Zitiergebot).

2. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sollen Zugriffe auf Kommunikationsdaten durch Polizeibehörden nicht beschränkt werden auf Fälle konkreter Gefahr oder des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll die Identifizierung von Internetnutzern selbst zur Ermittlung geringfügiger Ordnungswidrigkeiten zugelassen werden.

3. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll die Identifizierung von Internetnutzern durch Geheimdienste keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraussetzen.

4. Es ist unklar und nicht kontrollierbar, unter welchen Voraussetzungen Anbieter Zugriffscodes wie Mailbox-PINs oder E-Mail-Passwörter an Staatsbehörden herausgeben dürfen.

5. Der Bund will Anbietern verbieten, ihre Kunden von Datenabfragen zu benachrichtigen, selbst wo die Länder Stillschweigen nicht anordnen (z.B. bei Suizidgefahr oder Vermissten).

6. Den Datenzugriff durch eine elektronische Schnittstelle weiter zu erleichtern, ist unverhältnismäßig und verfassungswidrig.

Unsere Position ist: Der Staat darf auf Kommunikationsdaten allenfalls mit richterlicher Anordnung und zur Aufklärung schwerer Straftaten oder zur Abwehr von Gefahren für wichtige Rechtsgüter zugreifen. Einen Zugriff durch Geheimdienste lehnen wir in jedem Fall ab, ebenso wie die Herausgabe von Zugriffscodes wie PINs und Passwörtern.

Weitere Informationen:

http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Bestandsdaten-StN

Über uns:

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, die sich in Zusammenarbeit mit weiteren zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen die ausufernde Überwachung im Allgemeinen und gegen die Vollprotokollierung der Telekommunikation und anderer Verhaltensdaten im Besonderen einsetzen.

<http://www.vorratsdatenspeicherung.de>

Im Zusammenhang mit der anstehenden Bundestagswahl lege ich unsere Wahlprüfsteine ans Herz – die Wiedereinführung einer verdachtslosen Totalspeicherung unserer sämtlicher Verbindungen und Bewegungen (Vorratsdatenspeicherung) muss verhindert werden!

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

Eine Woche vor der entscheidenden Abstimmung verteidigt der nordrhein-westfälische Innenminister Jäger (SPD) das umstrittene Gesetz zur Auskunft über Identität und Passwörter von Handy- und Internetnutzern. Im Internet werde teilweise „der Inhalt, die rechtliche Bedeutung und die tatsächliche Tragweite der geplanten Neuregelungen unzutreffend interpretiert“. Das Gesetz bringe effektive Polizeiarbeit und den Schutz der Bürgerrechte in ein „ausgewogenes Verhältnis“.

Damit hängt das Votum Nordrhein-Westfalens von den mitregierenden Grünen ab: Diese können nach dem Koalitionsvertrag eine Enthaltung des Landes im Bundesrat erzwingen. Wenn sich alle Länder, an deren Regierung Grüne oder Linke beteiligt sind, plus ein weiteres Land (z.B. das SPD-regierte Hamburg) enthalten, fehlt dem Gesetz die Mehrheit.

Das rot-grün regierte Niedersachsen hat sich bereits im Innenausschuss enthalten, Schleswig-Holstein wird dem Gesetz ebenfalls nicht zustimmen. Wie sich die übrigen Länder verhalten werden, ist noch nicht bekannt (Antworten werden hier gesammelt). Die entscheidende Kabinettssitzung findet Anfang nächster Woche statt.

So könnt ihr helfen:

Weitere Infos: bestandsdatenauskunft.de

Dieser Text gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und stellt keine Mitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung dar.

 

Ich habe die juristische Stellungnahme zum Gesetz zur Bestandsdatenauskunft nun aktualisiert. Sie berücksichtigt auch die vom Bundestag noch vorgenommenen Änderungen. Es bleibt dabei:

In mehreren Punkten halten wir das Gesetz für klar verfassungswidrig:

  1. Es fehlt bereits die verfassungsrechtlich gebotene abschließende Bestimmung, welche Vorschriften einen Zugriff auf Kommunikationsdaten erlauben sollen (einfachgesetzliches Zitiergebot).
  2. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sollen Zugriffe auf Kommunikationsdaten durch Polizeibehörden nicht beschränkt werden auf Fälle konkreter Gefahr oder des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat.
  3. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll die Identifizierung von Internetnutzern zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nicht auf „besonders gewichtige Ordnungswidrigkeiten“ beschränkt werden. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll die Identifizierung von Internetnutzern durch Geheimdienste keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraussetzen.
  4. Es ist unklar und nicht kontrollierbar, unter welchen Voraussetzungen Anbieter Zugangssicherungscodes wie Mailbox-PINs oder E-Mail-Passwörter an Staatsbehörden herausgeben dürfen. Es fehlt an einer eindeutigen und normenklaren gesetzlich Regelung, unter welchen Voraussetzungen Zugangssicherungscodes erhoben und genutzt werden dürfen.
  5. Der Bund will Anbietern verbieten, ihre Kunden von Datenabfragen zu benachrichtigen, selbst wo die Länder Stillschweigen nicht anordnen (z.B. bei Suizidgefahr oder Vermissten). Dazu fehlt ihm die Gesetzgebungskompetenz.
  6. Den Datenzugriff durch eine elektronische Schnittstelle weiter zu erleichtern, ist unverhältnismäßig und verfassungswidrig.

Unsere Position ist: Der Staat darf auf Kommunikationsdaten allenfalls mit richterlicher Anordnung und zur Aufklärung schwerer Straftaten oder zur Abwehr von Gefahren für wichtige Rechtsgüter zugreifen. Einen Zugriff durch Geheimdienste lehnen wir in jedem Fall ab, ebenso wie die Herausgabe von Zugriffscodes wie PINs und Passwörtern.

Stellungnahme im Volltext lesen…

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und ist keine Stellungnahme des AK Vorrat.

Der Bundesrat wird Anfang Mai über ein Gesetz zur Auskunft über „Bestandsdaten“, also über IP-Adressen, PINs und Passwörter, abstimmen. Weil Auskunft schon wegen Bagatelldelikten und präventiv erteilt werden soll, sind Bundesweite Demonstrationen am 14.04.2013 / 27.04.2013 geplant. Für Proteste sorgt insbesondere der beabsichtigte Zugriff auf Passwörter („Meine Passwörter gehören mir!“). Leider ist dem Gesetzestext nicht klar zu entnehmen, welche Dienste erfasst sein sollen.

  1. Eindeutig heraus verlangt werden können vom Anbieter vergebene Handy-PINs und PUKs sowie Passwörter zu E-Mail-Konten bei Anbietern wie GMX, web.de oder GMail.
  2. Nach Ansicht des Rechtsausschusses des Bundesrats sind aber auch Internet-Speicherdienste „wie Dropbox, Google Drive etc.“ erfasst. Tatsächlich verpflichtet das Gesetz zur Herausgabe von „Daten, mittels derer der Zugriff auf … Speichereinrichtungen … geschützt wird“. Ich meine, dass Internet-Speicherdienste nicht von der Bestandsdatenauskunft erfasst sind, weil sie keinen Telekommunikationsdienst darstellen. Der Bundesrat – und möglicherweise auch die Praxis – ist da offensichtlich aber anderer Meinung, so dass Zugriffe auf Speicherdienste zu befürchten sind. Auch der Rechtsausschuss des Bundestags spricht von „Zugriffsmöglichkeiten auf Cloud-Dienste ohne das Endgerät“.
  3. Ob Passwörter zu Sozialen Netzwerken wie Facebook oder Microbloggingdiensten wie Twitter erfasst sein sollen, ist unklar. Chat-Dienste werden wohl als Telekommunikationsdienste angesehen. Das Unabhängige Landesdatenschutzzentrum meint, das „Versenden von privaten Nachrichten und … Chatten in öffentlichen und geschlossenen Nutzergruppen“ über Facebook sei als Telekommunikationsdienst anzusehen, so dass eine Bestandsdatenauskunft über Facebook-Passwörter eingeholt werden könnte. Nach dieser Wertung wäre wohl auch Twitter als Dienst zum „Chatten in öffentlichen … Nutzergruppen“ anzusehen.

Das Bestandsdatengesetz droht also genutzt zu werden, um Passwörter zu den folgenden Internetdiensten herauszuverlangen:

  • E-Mail-Postfächer
  • Speicherdienste zum Hochladen von Daten, Fotos usw.
  • Chatdienste
  • Soziale Netzwerke wie Facebook
  • Twitter

Mach mit bei den Bundesweiten Demonstrationen am 14.04.2013 / 27.04.2013!

Dieser Artikel gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und stellt keine Stellungnahme des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung dar.