Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Bau Dir Deine Meinung! Eine Anleitung zum Populismus„, in der wir Entwurfmuster für die Argumentation pro neue Überwachungsmaßnahmen vorstellen wollen.
Bei der Diskussion von Überwachungsgesetzen ist die zugrunde liegende Sachlage ebenso wie die gesellschaftlichen Auswirkungen in der Regel komplex und vielschichtig. Eine rationale Betrachtung benötigt Zeit und den Verzicht auf allzu grobe Vereinfachungen. Hier schafft der „Und jetzt: Panik!“-Ansatz Abhilfe: Panikmache ist überall da erlaubt, wo es den eigenen Argumenten hilft, aber überall dort anzuprangern, wo Argumente den eigenen Zielen zu schaden drohen. Zum Aufbau eines Bedrohungsszenarios darf gerne mal ein „wenig“ übertrieben werden, geht es dabei doch lediglich darum, die Dringlichkeit des Problems zu illustrieren. Die eigenen Argumente sollten kurz und polarisierend sein, Plausibilität und Abwägungen haben hier keine Priorität, es geht schließlich um Emotionen und Stammtischparolen. Kritischen Stimmen, die vor einem Überwachungsstaat o.Ä. warnen kann im Gegenzug Panikmache vorgeworfen werden, um deren Argumente zu entkräften. Es bietet sich an, letzteres noch durch den Verweis auf Experten und Expertinnen zu verstärken und die Kritiker und Kritikerinnen somit zu isolieren und zu delegitimieren. Der „Und jetzt: Panik!“-Baustein ist dabei ziemlich universell einsetzbar.
„[Es sei] nur eine Frage der Zeit, bis kriminelle Banden oder Terroristen virtuelle Bomben zur Verfügung haben werden.“
Innenminister Hans-Peter Friedrich warnt im Mai 2011 eindrücklich vor den Gefahren des „Cyberspace“
„Bedauerlicherweise ist das Thema mit dem Begriff Vorratsdatenspeicherung emotional stark belastet, etwa mit dem Vorwurf, es würden von jedem verdachtsunabhängig Daten erhoben. … Die Daten erst bei einem aufgekommenen Verdacht zu speichern, wie es Frau Leutheusser-Schnarrenberger vorschlägt, ist gut gemeint, aber nicht praktikabel.“
Innenminister Hans-Peter Friedrich im Oktober 2011 zum Stand der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung
Wir können angesichts seiner völlig rationalen und besonnenen Warnung vor Terroristen mit virtuellen Bomben gar nicht nachvollziehen, warum die Kritiker und Kritikerinnen der Vorratsdatenspeicherung die Debatte mit dem Verweis auf Grundrechte immer so ins Unsachliche ziehen müssen. Seine Behauptung, die Daten würden nicht verdachtsunabhängig erhoben, widerlegt Herr Friedrich netterweise im gleichen Atemzug von selbst.
Nun noch einige Beispiele für „erfolgreiche“ „Und jetzt: Panik!“-Anwendungen:
„Ein Terrorangriff muss nicht mit Bomben oder Raketen erfolgen, er kann im Prinzip per email erfolgen. Panik, Unruhen und Hysterie in der Bevölkerung könnten jedenfalls mit polizeilichen Mitteln kaum zu bewältigen sein, deshalb war es dringend nötig, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Deutschland gegen diese Attacken nicht wehrlos ist.“
Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) zur Einführung des nationalen Cyberabwehrzentrums
„Die besorgniserregende Entwicklung der Internetkriminalität muss konsequent bekämpft werden. Der Vorsprung der Cyber-Gangster darf nicht noch größer werden.“
Bernhard Witthaut, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP)
Wenn die DpolG und GdP die „Verbreitung von Panik, Unruhen und Hysterie“ verhindern möchten, könnten sie ganz einfach bei den eigenen Pressemitteilungen anfangen…
„Heute verabreden sich Menschen zu kriminellen Zwecken im Internet. Darauf müssen die Sicherheitsbehörden reagieren können. … Ich sage es sehr zugespitzt, die FDP ist ein Sicherheitsrisiko.“
Dieter Wiefelspütz, SPD-Innenexperte
Wir haben erschreckende Neuigkeiten für Herrn Wiefelspütz: Menschen verabreden und treffen sich auch außerhalb des Internets zu kriminellen Zwecken! Das ist aber noch kein Grund, die Totalüberwachung einzuführen. Weil es nicht zielführend, unverhältnismäßig und darüber hinaus schädlich für unsere Gesellschaft wäre. Außerdem haben die Sicherheitsbehörden bereits sehr viele – man könnte sehr zugespitzt auch sagen, viel zu viele – und zu wenig kontrollierte Mittel, um auf „Sicherheitsrisiken“ zu reagieren.
„Oft wird man vom eigentlichen Kern der Wahrheit weggeführt, statt hingeführt.“
Hans-Peter Friedrich, Innenminister, zum Umgang mit „der Wahrheit“ im Internet
Verschiedene Perspektiven, Meinungen und als Lösungsansätze nur noch Graustufen… schrecklich dieses Internet.
Blog-Beitrag des AK Vorrat Münster – dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung der Ortsgruppe wieder. Angestiftet von Aussagen wie den im Artikel genannten haben wir uns entschlossen, bedeutende Zitate rund um die Themen Netzpolitik, Sicherheitsgesetzgebung und anderen Schnellschußattacken zu sammeln. Dabei ist die Seite zitate.toxisch.net entstanden. Wenn ihr bedeutende, entlarvende, witzige Zitate habt schickt sie uns mit Quellenangabe zu. Wir freuen uns über jegliche Anmerkungen, Mails usw.