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All posts for the month März, 2012

 Nach unserem zweiten Anlauf mit der Bitte um ein gelegentliches Gespräch zum Thema Vorratsdatenspeicherung haben wir nun eine Absage des jüngst gewählten Bundespräsidenten Joachim Gauck erhalten.

Schade – denn nach den heftig umstrittenen Äußerungen Gaucks hierzu hätten wir gerne die Sorgen und Bedenken aus unserer bürgerschaftlichen Sicht dazu vorgebracht und erläutert.

 

Zur Bildung einer eigenen Meinung hier der Wortlaut des Briefes im Einzelnen:

Sehr geehrter Herr …,

Bundespräsident Joachim Gauck hat mich gebeten, für Ihr Schreiben vom 19. März 2012 und insbesondere für Ihre Glückwünsche zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten zu danken. Leider lässt ihm die große Zahl der ihn täglich erreichenden Zuschriften nicht die Möglichkeit, in jedem Fall persönlich zu antworten, wie er es gerne täte. Die vielen Beweise der Zustimmung und der Verbundenheit sind ihm jedoch Ermutigung für die kommenden Aufgaben.

Die große Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Ihren Initiativen zeigt, dass Sie sich einem Themenbereich widmen, der viele Menschen in unserer Gesellschaft bewegt. Der Herr Bundespräsident verfolgt die öffentliche Diskussion zu diesem Themenfeld mit großem Interesse und großer Aufmerksamkeit. Es ist wichtig, dass Initiativen wie die Ihre sich mit politischen Themen unserer Zeit auseinandersetzen und die Anliegen von vielen Bürgerinnen und Bürgem bündeln und öffentlich diskutieren.

Der Bundespräsident bittet aber um Verständnis dafür, dass er Ihrer Bitte um ein Gespräch angesichts der mit seinem Amt verbundenen vielfachen inhaltlichen Verpflichtungen, gerade zu Beginn der Amtszeit, leider nicht nachkommen kam.

Der Herr Bundespräsident hat sich angesichts der zahlreichen ähnlichen ihn erreichenden Bitten entschließen müssen, Zurückhaltung zu üben.

Er nimmt Zuschriften wie die Ihre aber zum Anlass, die vorgetragenen Anliegen in geeigneter Weise in seine Überlegungen, Gespräche und öffentlichen Reden einzubeziehen.

Mit freundlichen Grüßen,

Im Auftrag

Es ist nachvollziehbar, dass sich Herr Gauck („der Herr Bundespräsident“) vermutlich immens vielen Anfragen und Bitten gegenüber gestellt sieht und dass menschliche Ressourcen endlich sind.

Trotzdem schade: Denn das Thema Vorratsdatenspeicherung ist ja nun angesichts der derzeitigen politischen Situation in Deutschland brandaktuell – wann, wenn nicht jetzt wäre die Gelegenheit, sich eine von den Parteien (mehr oder minder!) befreite Meinung anzuhören und zu diskutieren, wenn er sich doch angeblich mit „großem Interesse und Aufmerksamkeit“ der Frage widmet?

Manch einen Satz oder gar Absatz der Antwort an uns hätte man sich mangels inhaltlicher Substanz sparen können, aber offenbar gilt auch für den Kontakt mit uns der diplomatische Codex im vollen Umfang …

Blog-Beitrag von Micha. – Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.

Ein erneuter Test von Patrick Breyer hat heute gezeigt, dass die Seite der EU-Kommissionweiterhin zahlreiche Exit-Nodes des Anonymisierungsnetzwerkes TOR blockiert. Auch dieSeite des Europäischen Gerichtshofs war bei einem Testlauf über das TOR-Netzwerk nicht erreichbar. Nutzer, die über eine IP-Adresse eines TOR-Exit-Nodes auf die Seiten gelangen, bekommen weiterhin in vielen Fällen eine Fehlermeldung angezeigt. Die Fehlermeldung suggeriert dabei eine Störung auf Nutzerseite. Patrick Breyer hat nun eine Beschwerde beim Europäischen Datenschutzbeauftragten eingereicht und fordert eine Stellungnahme sowie eine Beseitigung der Sperrung.

Wie bereits in unserer Pressemitteilung vom 27.03.2012 dargelegt, verurteilt der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung diese Maßnahme aufs Schärfste. Eine freie und unbeobachtete Kommunikation darf nicht durch öffentliche Behörden eingeschränkt werden. Nutzer sollten das Recht haben, sich anonym auf den Seiten der EU-Kommission und insbesondere auch des Europäischen Gerichtshofes zu informieren, ohne dass eine Identifizierung über die IP-Adresse möglich ist.

Interessant hierbei ist: Mit der EU-Kommission und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) sind zwei Akteure an der Blockade von TOR beteiligt, die sich demnächst mit derVorratsdatenspeicherung auseinander setzen werden. Während die EU-Kommission noch immer an der mehrfach aufgeschobenen Reevaluation der Richtlinie arbeitet, steht noch die Bestätigung der Weiterleitung einer Klage der Bürgerrechtsorganisation Digital Rights Ireland vor dem High Court in Irland an den Europäischen Gerichtshof aus. Beide scheinen auf Zeit zu spielen. Währenddessen werden weiter Androhungen mit Strafzahlungen an die umsetzungsunwilligen Mitgliedsstaaten verschickt. Dabei ist die berechtigte Frage, ob die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung überhaupt mit der Europäischen Grundrechtechartavereinbar ist, noch gar nicht geklärt worden. Die angedrohte „Millionenstrafe“ wird derzeit von Politikern der CDU, CDU und SPD als Argument vorgeschoben, um die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung auch gegen den Widerstand der Justizministerin durchzudrücken.

Doch zwingt eine mögliche Strafzahlung zu einer Umsetzung? Wie viel sind uns die Bürgerrechte wert? Zu welchem Preis kann man das Fernmeldegeheimnis kaufen? Wie viel kostet die Unverletzlichkeit der Wohnung oder gar die Würde des Menschen? Was ist mit dem Berufsgeheimnis für Richter, Journalisten und Geistliche? All diese Freiheitsrechte und noch viele mehr sind von der Vorratsdatenspeicherung direkt betroffen. Denn in einer sich immer weiter digitalisierenden Welt gewinnt Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung zunehmend an Bedeutung.

Wollen CDU, CSU und SPD diese Rechte wirklich für nur 86 Cent pro Bürger und Jahrverkaufen? Es scheint jedenfalls so. Ein Brief des Innenministers an die Kommission, in dem er die Ergebnisse des Max-Planck-Instituts zu fehlenden Verbesserung quantitativer Ermittlungserfolge schlichtweg ignoriert, lässt jedenfalls nichts gutes verheißen.

Doch auch in Deutschland wird auf Zeit gespielt. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung wartet noch immer auf einen Termin zur Anhörung für die erfolgreiche Petition unseres Mitglieds Kai-Uwe Steffens vor dem Bundestag. Während die erst kürzlich gestartete Petition zu ACTA bereits am 7.Mai im Bundestag behandelt werden soll, warten wir noch immer auf eine Antwort. Seit Monaten nun schon. Ein Schelm, wer politisches Kalkül dahinter vermutet.

Sollte eine flächendeckende und verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung in Deutschland umgesetzt werden, bieten Anonymisierungsdienste eine Hilfestellung für all jene, die sich ihr Recht auf unbeobachtete Kommunikation bewahren wollen. Die Tatsache, dass zwei EU-Institutionen auf ihren Internetseiten trotz einer vorliegenden Beschwerde weiterhin TOR-Usern den Zugang verwehren, lässt tief blicken und verheißt nichts gutes. Die Kommission sollte sich von derartigen Maßnahmen distanzieren. Ansonsten wird sie insbesondere was ihre Äußerungen zum Arabischen Frühling und der digitalen Bürgerrechtsbewegung angeht zunehmend unglaubwürdig. Die von Neelie Kroes und Guttenberg ausgerufene „No Disconnec“ Strategie sollte auch in Europa Anwendung finden.

Es wäre schön, wenn man dabei mit der Internetseite der Kommission anfangen würde.

Blog-Beitrag von Katta – Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.

Am 28.02.2012 schrieb der für den Bereich der Vorratsdatenspeicherung unzuständige Bundesinnenminister Friedrich (CSU) der EU-Innenkommissarin Malmström, es lägen „keine statistisch belastbaren Erfahrungen zu den Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung vor“, die Nichtigerklärung des verfassungswidrigen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung führe aber ausgehend von Zahlen des Bundeskriminalamts „zu erheblichen Einschränkungen bei der Verfolgung oder Verhütung von Straftaten“. Diese Behauptungen bedürfen der Richtigstellung.

Der Bundesinnenminister gesteht mit diesen Aussagen bereits selbst ein, dass die Zahlen des Bundeskriminalamts nicht „statistisch belastbar“ sind. Auch das BKA selbst bezeichnet seine Zahlen als „nicht aussagekräftig“ hinsichtlich der Frage, ob eine Vorratsdatenspeicherung die Zahl der aufgeklärten Straftaten erhöht. Die Zahl von 90% vom BKA nicht zuzuordnender IP-Adressen kommt auf abenteuerliche Weise zustande, etwa durch eine grotesk verzerrte Stichprobe und die Zählung veralteter, von den USA gelieferter Webserver-Logfiles. Wir haben die BKA-Zahlen schon 2010 umfassend zerpflückt. Das BKA kann nicht einmal den Vorwurf widerlegen, dass bei Zugrundelegung seiner unseriösen Erhebungsmethodik auch 2009, als IP-Adressen sechs Monate lang auf Vorrat gespeichert wurden, 90% der IP-Anfragen nicht weiter führten.

Demgegenüber verschweigt Friedrich die umfassende Untersuchung des Max-Planck-Instituts für internationales und ausländisches Strafrecht, derzufolge das Ende der verdachts- und wahllosen Vorratsdatenspeicherung keinen erkennbaren Einfluss auf die Zahl der begangenen und den Anteil der aufgeklärten Straftaten hatte und die „Schutzmöglichkeiten durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung“ nicht erkennbar reduziert sind. Dies ist ausdrücklich auch für den Bereich der Internetdelikte festgestellt worden, bei deren Aufklärung IP-Adressen von Bedeutung sind.

Hat eine Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungen danach keinen merklichen Einfluss auf die Aufklärung von Straftaten, so verschwendet eine Vorratsdatenspeicherung finanzielle Mittel und Kräfte, die für tatsächlich wirksame, gezielte Ermittlungsmaßnahmen fehlen.

Unter anderem die Neue Richtervereinigung hat darauf hingewiesen, dass eine Vorratsdatenspeicherung der Aufklärung von Straftaten sogar schadet:

Dies zeigt nicht nur, dass eine flächendeckende Vorratsdatenspeicherung Vermeidungsverhalten auslöst (z.B. verstärkte Nutzung von Internet-Cafés, offener Internetzugänge, Anonymisierungsdienste, öffentlicher Telefone, unregistrierter Handykarten, nicht-elektronischer Kommunikationskanäle), sondern vor allem, dass dieses Vermeidungsverhalten die Verhinderung und Verfolgungselbst schwerer Straftaten geradezu erschwert. Denn Vermeidungsmaßnahmen dieser Art können zugleich verdachtsabhängige Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen vereiteln, wie sie ohne Vorratsdatenspeicherung noch möglich sind. Dadurch entfaltet eine Vorratsdatenspeicherung auf Gefahrenabwehr und Strafverfolgung kontraproduktive Wirkungen und verkehrt den erhofften Nutzen der Maßnahme möglicherweise sogar in sein Gegenteil.

Die Befürworter einer Vorratsdatenspeicherung behindern somit die effektive Aufklärung von Straftaten – nicht umgekehrt.

Siehe auch:

Blog-Beitrag von Patrick – Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.

Entgegen anders lautender Falschmeldungen haben die französischen Ermittler den Serienmörder von Toulouse ohne Vorratsdatenspeicherung identifiziert.

Schon am vergangenen Donnerstag hatte der französische Inlandsgeheimdienst der Polizei eine Liste von 10-15 mutmaßlichen Nationalisten und Islamisten in der Region gegeben, auf welcher Merahs Name stand. Es war bekannt, dass Merah sich in einem afghanischen und einem pakistanischen Terrorcamp hatte ausbilden lassen.

Richtig ist, dass auch eine Datenspur zu Merah führte: Unter den 576 Personen, über deren Internetanschluss eine Kleinanzeige des ersten Opfers gelesen und/oder mit dem Inserenten Kontakt aufgenommen worden war, befand sich die Mutter von Merah. Sie wurde mithilfe vorratsgespeicherter IP-Adressen identifiziert. Dies erfolgte jedoch bereits am letztenSamstag und führte nicht zu einem Eingreifen der Polizei.

Zu dem Zugriff auf die Wohnung des Täters Mohammed Merah in der Nacht von Montag auf Dienstag entschloss sich die französische Justiz erst, nachdem ein Motorradhändler am Montag angegeben hatte, Merah habe einen Angestellten wenige Tagen zuvor gefragt, wie sich ein Lokalisierungschip von einem Motorrad entfernen lasse, welches (wie das Tatfahrzeug) umlackiert worden sei. Da Merah seit Jahren Kunde des Händlers war, konnte dieser aus seiner Kundendatei den Namen des Beschuldigten heraussuchen und der Polizei übergeben.

Erst aufgrund der Aussage des Motorradhändlers am Montag griff die Polizei zu. Die Aussage des Händlers hätte auch ohne die Internetspur zur Identifizierung von Merah geführt.

Das Max-Planck-Institut stellte bereits vor Monaten fest: „Die Entwicklung von Aufklärungsraten und Fällen bei Morddelikten zeigt eine beständige Abnahme der Fallzahlen ab Anfang der 1990er Jahre und eine entsprechende Zunahme der Aufklärungsquote. Auch hier ergibt sich kein Hinweis darauf, dass sich die Vorratsdatenspeicherungin sichtbarer Weise ausgewirkt haben könnte.

Ungeachtet dessen droht die Bundesjustizministerin einzuknicken: Sie will eine Klage der EU-Kommission wegen Verletzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verhindern. Diese Klage könnte aber selbst durch eine Teilumsetzung der Richtlinie nicht abgewendet werden. Die Bundesregierung muss deshalb jetzt kühlen Kopf bewahren, eine Befreiung von der Umsetzungspflicht beantragen und die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vereinbarkeit der Richtlinie mit den Grundrechten abwarten. Ich gehe fest davon aus, dass die Richtlinie der grundrechtlichen Überprüfung ebenso wenig standhalten wird wie es die Umsetzungsgesetze von Rumänien, Deutschland und der tschechischen Republik getan haben.

Quellen (französisch): 1234

Blog-Beitrag von Patrick – Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.

 In unserem offenen Brief an Herrn Gauck vom 22. Februar 2012 baten wir Herrn Gauck um etwas Zeit für ein Gespräch über das, was uns hier am meisten bewegt: die in der Presseöffentlichkeit immer wieder als „unverzichtbar“, „notwendig“ und „harmlos“ beworbene Wiedereinführung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung der Telekommunikations-Verbindungsdaten aller Menschen. Herr Gauck hatte sich mit seinen bisherigen Meinungsäußerungen hierzu eine Reihe von (zum Teil unhaltbaren) Spekulationen ausgelöst .

Auf diese Einladung erhielten wir als Antwort die Bitte, uns noch einmal nach der anstehenden Bundestagswahl an Herrn Gauck zu wenden – das haben wir nun mit einemneuen offenen Brief getan, den wir am vergangenen Montag per Briefpost und per E-Mail an Herrn Gauck versendet haben.

Nun heißt es wieder: Abwarten.

Blog-Beitrag von Micha. – Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.