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Vier Jahre nach unserer Meldung „Datenskandal: Telekommunikationsanbieter führen verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung fort“ berichtet der Spiegel, dass Mobilfunkanbieter noch immer nicht zur Abrechnung erforderliche Verbindungs- und Standortdaten bis zu sechs Monate auf Vorrat speichern (siehe auch die Übersicht zur Speicherdauer vom September 2015). Einige Hinweise zum Hintergrund:

  1. Die Bundesnetzagentur hatte es auf unsere Anzeige abgelehnt, Geldbußen gegen die illegal Daten sammelnden Anbieter zu verhängen. Stattdessen erarbeitete sie in Zusammenarbeit mit dem damaligen Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar einen viel zu weit gehenden „Leitfaden“ zu den vermeintlich zulässigen Speicherfristen. Selbst diesen Leitfaden setzt die Bundesnetzagentur nicht durch, weil es sich bloß um eine „Leitlinie“ handele.
  2. Die Bundesnetzagentur verweigert die vollständige Offenlegung der tatsächlichen Speicherpraxis der Anbieter (siehe IFG-Bescheid vom 18.08.2015). Die TK-Anbieter BT (Germany), E-Plus, M-net, Telefonica, Telekom Deutschland und Vodafone haben ausnahmslos einer Offenlegung ihrer diesbezüglichen Angaben widersprochen, weil u.a. „konkrete Speicher- und Back-Up Fristen“ als Geschäftsgeheimnisse geheimzuhalten seien. Was nach massiver Schwärzung in den Unterlagen durch die Bundesnetzagentur an Information übrig geblieben ist, werde ich dieser Tage einsehen.
  3. Die von den Anbietern auf Vorrat gespeicherten Daten über unsere Kommunikation werden nicht etwa hauptsächlich zur Bearbeitung von Einwendungen oder Störungsmeldungen genutzt, sondern vorwiegend von Polizei und Geheimdiensten, die über Zugriffsrechte verfügen. Durch das von schwarz-rot geplante Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wird das Problem der freiwilligen Vorratsdatenspeicherung keineswegs obsolet. Denn an die freiwillig zu betrieblichen Zwecken gespeicherten Vorratsdaten kommen auch die Ermittler viel leichter heran als an die verpflichtenden Vorratsdaten, die – mit Ausnahme von Internet-Zugangsdaten – relativ hohen Zugriffshürden unterworfen werden sollen. Freiwillig gespeicherte Vorratsdaten können dagegen schon bei Verdacht von Bagatellstraftaten und auch durch Geheimdienste oder präventiv abgerufen werden. Anders als die SPD behauptet, wird die Vorratsdatenspeicherung an dem Problem der unterschiedlichen freiwilligen Speicherdauer der Anbieter nichts ändern. Denn die nun geplante verpflichtende Vorratsdatenspeicherung fordert lediglich den Aufbau einer zweiten Datenbank und ändert an den jetzt schon bestehenden Speicher- und Zugriffsmöglichkeiten nichts.
  4. Die „freiwillige Vorratsdatenspeicherung“ ist mit ähnlichen Gefahren für die Kommunikationsfreiheit verbunden wie die geplante „verpflichtende Vorratsdatenspeicherung“. Deswegen hat Rechtsanwalt Meinhard Starostik nach einem Aufruf des AK Vorrat beim Amtsgericht Düsseldorf Klage gegen Vodafone eingereicht. Das Gericht soll Vodafone verurteilen, die Funkzelle, von der ein Anruf getätigt wurde (Standortkennung), die Kennung des genutzten Endgerätes (IMEI) und die Kennung der benutzten SIM-Karte (IMSI) „unverzüglich nach Beendigung der Verbindung zu löschen„. Ein Gutachter begutachtet im Auftrag des Gerichts zurzeit, ob die Speicherung dieser Daten erforderlich ist.
  5. Da wir nicht ständig und jahrelang prozessieren können, muss das Grundproblem angepackt werden, nämlich dass mit der Bundesnetzagentur eine von den Anweisungen des Bundeswirtschaftsministers, dem VDS-Befürworter Gabriel, abhängige Behörde für die Einhaltung der Vorschriften zum Telekommunikationsdatenschutz sorgen soll. Diese Zuständigkeitsregelung verstößt gegen die EU-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, derzufolge die Datenschutzaufsicht in vollständiger Unabhängigkeit auszuüben ist. Ich habe deshalb Vertragsverletzungsbeschwerde bei der EU-Kommission eingereicht, welche in Brüssel zurzeit geprüft wird.

Was tun?

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

In seiner Entschließung zum internationalen Überwachungsskandal äußert das Europäische Parlament massive Kritik an geheimdienstlicher Überwachung. Näme es diese Kritik ernst, müsste es sich jedoch zuallererst von der von ihm selbst beschlossenen verdachtslosen Vorratsspeicherung aller unserer Verbindungsdaten distanzieren. Die frappierenden Parallelen belegt folgende Kritik in der NSA-Entschließung des Europäischen Parlaments:

…wodurch jeder Bürger als Verdächtiger behandelt und Überwachungsobjekt wird…

in der Erwägung, dass die Massenerhebung von personenbezogenen Daten … zur Bekämpfung des Terrorismus und schwerer grenzüberschreitender Straftaten die Rechte der EU-Bürgerinnen und -Bürger auf den Schutz personenbezogener Daten und auf Privatsphäre gefährdet…

verurteilt die in gigantischem Ausmaß erfolgte systematische und pauschale Erfassung der personenbezogenen, oft auch intimen persönlichen Daten unschuldiger Menschen…

erachtet die Überwachungsprogramme als weiteren Schritt hin zur Einrichtung eines echten Präventionsstaats, in dem ein Paradigmenwechsel des in demokratischen Gesellschaften etablierten Strafrechts erfolgt, demzufolge jeder Eingriff in die Grundrechte eines Verdächtigen von einem Richter oder Staatsanwalt auf der Grundlage eines begründeten Verdachts genehmigt und gesetzlich geregelt werden muss, und stattdessen eine Mischung aus Strafverfolgungs- und Geheimdienstaktivitäten propagiert wird, die unklaren und verwässerten rechtlichen Bestimmungen unterliegen und oftmals nicht mit den demokratischen Kontrollmechanismen und den Grundrechten, insbesondere der Unschuldsvermutung, vereinbar sind…

fordert mit Nachdruck, dass … Europäern wirksame Garantien gegeben werden, um sicherzustellen, dass die Nutzung von Überwachung und Datenverarbeitung für die Zwecke ausländischer Geheimdienste verhältnismäßig, durch eindeutig festgelegte Bedingungen beschränkt ist und mit einem begründeten Verdacht und einem hinreichendem Verdacht auf terroristische Aktivitäten zusammenhängt…

Vorratsdatenspeicherung ist, Kommunikationsdaten aller Bürger der EU „wahllos und ohne Vorliegen eines Verdachts zu sammeln, zu speichern“. Diese massenhafte Datensammlung

  • ist eine „systematische und pauschale Erfassung der personenbezogenen, oft auch intimen persönlichen Daten unschuldiger Menschen“, wie sie das EU-Parlament kritisiert,
  • widerspricht dem vom EU-Parlament angesprochenen, in demokratischen Gesellschaften etablierten Strafrecht, „demzufolge jeder Eingriff in die Grundrechte eines Verdächtigen von einem Richter oder Staatsanwalt auf der Grundlage eines begründeten Verdachts genehmigt … werden muss“,
  • setzt weder einen „begründeten Verdacht“ noch einen „hinreichenden Verdacht auf terroristische Aktivitäten“ voraus, wie ihn das EU-Parlament für „ausländische Geheimdienste“ fordert.

Meine Meinung: Die Parteien im Europäischen Parlament müssen sich endlich an die eigene Nase fassen und dem skandalösen Prinzip einer wahllosen Vorratsdatenspeicherung, wie es nach der Europawahl wieder eingeführt zu werden droht, eine Absage erteilen. Nie wieder Vorratsdatenspeicherung!

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

Appeal to the Conference of Presidents of the European Parliament

Dear Presidents,

We write to you on behalf of 23 European non-governmental organisations protecting fundamental rights, including the freedom of expression and information, to lend our support to the selection of Edward Snowden for the Sakharov Prize.

Edward Snowden’s recent disclosures have triggered a necessary and long-overdue public debate in the United States and beyond about the acceptable boundaries of surveillance in a democratic state and about the legitimacy and proportionality of counter-terrorism intelligence activities. The revelations also have prompted debates in the European Union.

The Sakharov Prize for Freedom of Thought was established to recognise individuals actively working to defend human rights and fundamental freedoms, in particular the right to freedom of expression. We believe that by his personal example, Snowden meets these criteria. His nomination to the Prize is in itself a contribution to the development of democracy and the rule of law in the European Union, in particular with regards to the protection of whistleblowers. It also sends a message of respect for international law. Awarding the Prize to Snowden would give a clear signal to the world that the EU values and protects those who are attacked for speaking out on violations of human rights. Daniel Ellsberg and earlier NSA whistleblowers have praised Snowden’s actions. We are convinced that Andrei Sakharov would have done the same.

Sakharov – a nuclear physicist turned opponent of a repressive state – used his position in national security and defence to raise concerns about the preservation of human rights. Similarly, Snowden used his professional knowledge to draw attention to abuses of the fundamental rights of individuals and their effect on entire societies. In their transition from state servants to citizens‘ rights advocates, both men became dissidents, in the full knowledge of the likely cost of this action to them. It is the moral duty of the European Union to acknowledge a man who bravely stood up for our basic human rights, anticipating the cost that his action would have for his personal liberty.

We are fully aware that all shortlisted candidates fully deserve their nomination and we understand that the choice is difficult. However, not all candidates are in the same position. Other nominees have already been provided with many other awards and are less controversial, as their activism is directed against totalitarian regimes.

When deciding the winner of the Sakharov Prize, please remember that Snowden has shown to the world that blanket and unaccountable surveillance is not limited to dictatorships, but that democracies can also undermine citizens‘ fundamental freedoms. Please also keep in mind that one of the few things the European Union can do right now is to support Edward Snowden.

Snowden’s actions represent a challenge to unfettered state power at the global level, and without regard to conventional and simple nationalist dynamics. An award would point the way towards safeguarding activism without borders in a networked world. So far Edward Snowden has received neither recognition for his courageous deeds nor support from the European Union collectively, from any individual Member State or from any single European institution.

As European citizens we believe that the Sakharov Prize would be the best way to change this undesirable state of affairs. Therefore we strongly encourage you to award the Sakharov Prize to Edward Snowden in honour of his courage and commitment to values that the Prize represents.

Sincerely yours

Alternative Informatics Association, Turkey
ApTI, Romania
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Germany
ARTICLE 19, International
Bits of Freedom, The Netherlands
Chaos Computer Club e.V., Germany
DFRI, Sweden
Digitalcourage, Germany
Digitale Gesellschaft e.V., Germany
Electronic Frontier Finland
European Digital Rights (EDRi)
Foundation for Information Policy Research, UK
Initiative für Netzfreiheit, Austria
Internet Society, Poland Chapter
IT-Political Association of Denmark
Iuridicum Remedium, Czech Republic
La Quadrature du Net, France
Modern Poland Foundation, Poland
Net Users‘ Rights Protection Association (NURPA), Belgium
Open Rights Group, UK
Panoptykon Foundation, Poland
Transnational Institute, The Netherlands
Vrijschrift, The Netherlands

Morgen verhandelt der Europäische Gerichtshof in Luxemburg über die Gültigkeit und Verhältnismäßigkeit der EU-Richtlinie zur verdachtslosen Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten.

Die Bedeutung der Entscheidung des Gerichtshofs könnte größer kaum sein: Die unterschiedslose Vorratsspeicherung von Informationen über jedes Telefonat, jede SMS, jede E-Mail und jede Internetverbindung der gesamten Bevölkerung stellt alle anderen deutschen Überwachungsmaßnahmen in den Schatten. Eine Vorratsdatenspeicherung zeichnet dauerhaft das alltägliche Kommunikations-, Bewegungs- und Internetnutzungsverhalten aller 80 Mio. Menschen in Deutschland auf, durchschnittlich alle vier Minuten werden Informationen über jede/n von uns festgehalten. Es handelte sich vermutlich um die größte deutsche Informationssammlung überhaupt.

Von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hängt ab, ob der Staat potenziell unser gesamtes Leben und menschliches Verhalten „auf Vorrat“ aufzeichnen (lassen) darf oder ob unschuldige Menschen auch in einer Informationsgesellschaft einen Anspruch auf nicht rückverfolgbare, unmittelbare Kommunikation und Interaktion haben werden. Die Entscheidung des Gerichtshofs wird mittelbar auch Auswirkungen darauf haben, ob die jetzt bekannt gewordenen flächendeckenden Geheimdienst-Abzapfprogramme Großbritanniens („Tempora“) und Frankreichs fortgesetzt werden dürfen oder ob sie wegen Verstoßes gegen die europäischen Grundrechte eingestellt werden müssen.

Wichtige Informationen zu dem Prozess

Ort und Zeit der Verhandlung:
http://akvorrat.de/s/EuGH-Termin

Diese Personen und Staaten werden vor dem Europäischen Gerichtshof sprechen:
http://blog.vorratsdatenspeicherung.de/?p=1122

Die verhandelten Fragen des obersten irischen Gerichtshofs und die Begründung dazu (Auszug: „Es ist klar, dass Überwachungsmaßnahmen gerechtfertigt sein müssen und in der Regel gezielt erfolgen sollten“):
http://akvorrat.de/s/HighCourt-Fragen
http://www.bailii.org/ie/cases/IEHC/2010/H221.html

Die verhandelten Fragen des österreichischen Verfassungsgerichtshofs und die Begründung dazu (Auszug: „Nicht zuletzt auch im Hinblick auf Zweifel an der Eignung zur Zielerreichung erscheint der damit verbundene Eingriff unverhältnismäßig.“):
http://akvorrat.de/s/VerfGH-Vorlage

Die Fragen des Europäischen Gerichtshofs, zu denen die Beteiligten am Dienstag Stellung nehmen sollen:
http://akvorrat.de/s/EuGH-Fragen

Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung: Dossier mit Hintergrundinformationen und Fakten zur Vorratsdatenspeicherung
http://akvorrat.de/s/Hintergrundinfos

Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung: Handreichung zum Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Nichtumsetzung der Vorratsdatenspeicherung
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/handreichung.pdf

Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung: Häufige Argumente der Befürworter einer Vorratsdatenspeicherung widerlegt
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/83/87/lang,de/

Meinungsumfragen:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/77/85/lang,de/#Umfrage

Protestaktionen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung:
http://akvorrat.de/s/Aktionen

Fotos von Protestaktionen zur freien Verwendung:
http://akvorrat.de/s/CC-Fotos
http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Aktuelle_Fotos

Appell von über 100 Organisationen aus 23 europäischen Ländern zur Aufhebung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/363/158/lang,de/

Wenn Sie Fragen zu dem Verfahren haben oder Interviewpartner suchen, wenden Sie sich einfach an die Presse-Ansprechpartner des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/235/141/lang,de/

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

Icons via iconarchive.com, aus den Sätzen iFunny Icons von Dirceu Veiga – FastIcon Studio sowie Kids Icons von Everaldo Coelho und desweiteren aus Redfresh CI Icons von TpdkDesign.net. Bundestrojaner vom Chaos Computer Club. Schriftart Yanone Kaffeesatz von Jan Gerner. (Creative Commons Namensnennung 2.0).  Komposition Was weiß mein großer Bruder alles über mich? v0.3-rc2 vom 19. Dezember 2007 von Matthias „wetterfrosch“ Mehldau  Lizenz Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung 2.0. Nicht-Kommerzielles Kopieren und Bearbeiten unter Quellangabe (CC) BY-NC-SA) Wetterfrosch, ak-vds.de (Schrift: Jan Gerner, Icons: Dirceu Veiga – FastIcon Studio, Everaldo Coelho, TpdkDesign.net, ccc.de) erbeten! Am Dienstag wird vor dem Europäischen Gerichtshof darüber gestritten, ob die EU Informationen über jede unserer Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetverbindung speichern lassen darf – rein vorsorglich („auf Vorrat“) für den Fall, dass sich die Polizei einmal dafür interessieren könnte. Festgehalten werden soll, mit wem wir privat oder beruflich in Kontakt stehen, mit welchem „Nummernschild“ (IP-Adresse) wir im Internet unterwegs sind und an welchen Orten wir wann unser Handy oder Smartphone benutzt haben.

Viele Menschen (in Deutschland 66%) wollen nicht, dass ohne jeden Grund alle ihre Verbindungen und Bewegungen protokolliert werden. Deshalb haben sie bei Gericht beantragt, die Speicherung ihrer Daten zu stoppen. In Irland klagen Datenschützer der Organisation „Digital Rights Ireland“ gegen das irische Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Und in Österreich haben sich über 10.000 Menschen bei dem Verfassungsgerichtshof beschwert.

Vor ihrer Entscheidung wollen das irische und das österreichische Gericht wissen, ob sie den von der Europäischen Union angeordneten Zwang zur Vorratsdatenspeicherung akzeptieren müssen. Über die Gültigkeit und Verhältnismäßigkeit dieser EU-Richtlinie entscheidet nun der Europäische Gerichtshof.

Wie wird der Europäische Gerichtshof entscheiden?

Foto: Gerichtshof der Europäischen UnionDer Europäische Gerichtshof könnte entscheiden, dass die Aufzeichnung sämtlicher unserer Verbindungen erforderlich ist, um Verbrechen besser verfolgen zu können. Dann müsste auch Deutschland ein Gesetz zur verdachtslosen Vorratsspeicherung aller unserer Verbindungen wieder einführen – oder als Strafe jährlich 1,43 Euro pro Bürger bezahlen.

Wahrscheinlich wird der Gerichtshof die Datensammelei aber beanstanden. Er hat nämlich eine Menge Fragen dazu gestellt. Auch mehrere andere Gerichte (die Verfassungsgerichte Rumäniens, Deutschlands und Tschechiens) haben Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung schon aufgehoben.

Foto: Digitale Gesellschaft, Lizenz: CC BY-SA 2.0Einige Gerichte finden, solange wir keines Verbrechens verdächtig sind, darf der Staat unsere Telefonate, SMS, E-Mails und Internetverbindungen nicht ins Blaue hinein protokollieren lassen. Datenschützer sind derselben Meinung. Sie befürchten sonst eine schrittweise immer weiter reichende Aufzeichnung unseres alltäglichen Verhaltens und Lebens „auf Vorrat“ – bis hin zu Videokameras in unseren Schlafzimmern, weil ja auch dort einmal Verbrechen begangen werden könnten. Unter ständiger Überwachung kann man nicht frei und unbefangen leben.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht ist dagegen der Meinung, der Staat darf alle unsere Kontakte und Bewegungen ohne Verdacht sammeln lassen, wenn diese Informationen gut vor Missbrauch gesichert und nur in Ausnahmefällen eingesehen werden. Es hat das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nur aufgehoben, weil es diese Bedingungen nicht erfüllte. Wenn der Europäische Gerichtshof das auch so sehen sollte, werden EU-Politiker schon bald darüber streiten, ob sie eine neue Richtlinie zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung erlassen.

Wer wird am Dienstag mitreden?

Die folgenden Personen und Organisationen werden am Dienstag vor dem Europäischen Gerichtshof sprechen:

  1. Digital Rights Ireland: Die Datenschutzorganisation, die in Irland klagt (15 Minuten)
  2. Die irische Menschenrechtskommission (Human Rights Commission), die die Klage unterstützt (15 Minuten)
  3. Die Kärntner Landesregierung, die in Österreich klagt (15 Minuten)
  4. Der Anwalt von Herrn Seitlinger, der in Österreich klagt (15 Minuten)
  5. Herr Tschohl in Vertretung von über 11.100 klagenden Österreichern (15 Minuten)
  6. Die irische Regierung, die die Datenspeicherung verteidigt (15 Minuten)
  7. Die österreichische Regierung, die die Datenspeicherung verteidigt (15 Minuten)
  8. Die spanische Regierung, die die Datenspeicherung verteidigt (10 Minuten)
  9. Die französische Regierung, die die Datenspeicherung verteidigt (10 Minuten)
  10. Die italienische Regierung, die die Datenspeicherung verteidigt (10 Minuten)
  11. Die polnische Regierung, die die Datenspeicherung verteidigt (10 Minuten)
  12. Die portugiesische Regierung, die die Datenspeicherung verteidigt (10 Minuten)
  13. Die britische Regierung, die die Datenspeicherung verteidigt (10 Minuten)
  14. Der EU-Rat, der die Datenspeicherung verteidigt (15 Minuten)
  15. Das Europäische Parlament, das die Datenspeicherung verteidigt (15 Minuten)
  16. Die EU-Kommission, die die Datenspeicherung verteidigt (15 Minuten)
  17. Der Europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx, der die Datenspeicherung kritisiert (15 Minuten)

Ort und Zeit der Verhandlung finden sich hier.

Wo finde ich weitere Informationen?

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