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Heute morgen äußerte sich der BITKOM-Geschäftsführer Herr Rohleder im Interview mit dem Deutschlandfunk zu den nun medial nun mehr oder weniger breit rezeptierten PRISM-Spionagemaßnahmen der USA. (Übrigens bauen viele Menschen auf einer eigenen Wikiseite des AK-Vorrat gerade eine NSA-PRISM-Linksammlung auf – Mitmachen ist erlaubt und herzlich willkommen.)

Das Interview lässt sich im Volltext hier nachlesen und (für wenige Monate noch) hier nachhören und es ist unter anderem dort bemerkenswert, wo sich Herr Rohleder zu der Zusammenarbeit deutscher IT-Webdienste-Anbieter äußern soll, sich darin aber merkwürdig schwer tut.

An dieser Stelle soll es aber hauptsächlich darum gehen, wo der Geschäftsführer des Dachverbandes der deutschen IT-Industrie etwas zu Vorratsdatenspeicherung sagt, bzw. manche Aspekte ausblendet.

In aller Kürze ein paar Ausschnitte aus dem Gespräch mit dem DLF-Redakteur Dirk Müller und einige stichwortartige Anmerkungen dazu.

 

Herr Rohleder und die Vorratsdatenspeicherung

Müller: Nun gibt es ja in Washington, in den USA dieses Gesetz. Es gibt Sondergerichte, die auch des Nachts tagen, wenn es sein muss, um dann Beschlüsse weiterzugeben an die großen Konzerne, an Facebook, an Google, an Skype, an YouTube und so weiter, damit der Geheimdienst das machen kann, was er für richtig hält. Ist das für Sie völlig unbekannt?

Rohleder: Wir haben ähnliche Situationen ja letztlich auch in Deutschland, auch wenn wir keine nachts tagenden Geheimgerichte haben. Es gibt in Europa eine Regulierung zur Vorratsdatenspeicherung, die in fast allen Ländern umgesetzt wurde, außer in Deutschland. Auch da werden Telefondaten letztlich abgehört, was nicht heißt, dass Gespräche mitgehört werden, und wo es natürlich einen kleinen, aber doch sehr feinen Unterschied gibt. Zum einen werden keine Standortdaten kommuniziert und zum Zweiten gibt es keinen Automatismus, dass die Daten an staatliche Behörden laufen, sondern sie bleiben für einen begrenzten Zeitraum bei den Telekommunikationsnetzbetreibern, und werden dann nur auf einzelne Anfrage freigegeben.

Müller: Auch dann nur aufgrund richterlicher Beschlüsse?

Rohleder: Das ist richtig. Es muss immer einen richterlichen Beschluss geben. Aber das, hören wir, sei in den USA ja letztlich genauso.

Herr Rohleder scheint sich nicht ganz im Klaren zu sein, wenn er über die Vorratsdatenspeicherung (genauer: die anlaßlose Speicherung sämtlicher Telekommunikations-Verbindungsdaten aller Einwohner Deutschlands) spricht und zunächst den Satz damit beginnt, dass in derern Rahmen „Telefondaten abgehört“ werden würden. Immerhin: er versucht sich zu korrigieren, bleibt dabei aber reichlich unkonkret.

Herr Rohleder erzählt die Unwahrheit, wenn er behauptet, dass im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung keine Standortdaten „kommuniziert“ werden würden. Bei der Vorratsdatenspeicherung werden Funkzellen- und damit Standortdaten von allen Menschen in Deutschland gespeichert und auf Vorrat gelegt, die: 1.) mit einem Handy oder einem Smartphone telefonieren 2.) mit einem Handy or Smartphone simsen 3.) mit einem Smartphone, einem tragbaren Computer oder irgendeinem anderen mit dem Internet kommunizierenden Gerät mobil z.B. mittels Funkmodem das Internet nutzen. Und selbst die Benutzung eines WLANs (z.B. in einem Cafe) ermöglicht in Kombination mit weiteren Informationenen die Standortbestimmung des Nutzers.

In Einzelfällen dürfte – je nachdem, wie denn die genaue Gesetzgebung ausfallen wird – ein Zugriff auf Vorratsdaten auch ohne Richterbeschluß möglich sein, zumindest ohne sofortigen Richterbeschluß, wenn er auch nachgeholt werden müsste. (Und von mannigfaltigen Mißbrauchsmöglichkeiten der mittels Vorratsdatenspeicherung erzwungenen IT-Infrastruktur zum Abgreifen und Sammeln der Kommunikationsdaten der Bürger sei an dieser Stelle erst gar nicht die Rede.)

Herr Rohleder übersieht bezüglich des Richtervorbehalts zudem die jüngst verabschiedeten Gesetzesänderungen zu den so genannten Bestandsdatenabfragen. Damit dürfen Polizeien und Geheimdienste zum Teil sogar schon im Rahmen von bestimmten Ordnungswidrigkeitsverfahren (!) und ohne Richterbeschluß auf private und geheime PIN-Codes für Handys, Passwörter für E-Mail-Konten, Internet-Foren und Chaträume sowie auf IP-Adress-Zuordnungen zugreifen. Nochmals zur Klarstellung: Sie dürfen das lt. Gesetz, ohne dass ein Richter hierfür seinen Segen erteilt hat. (Auch hier: Die sich zusätzlich aufdrängende Frage, wie effektiv bzw. seriös eine richterliche Abnickung in der heutigen Praxis tatsächlich noch ist, wäre eine zusätzliche, wichtige Frage.) Und Geheimdienste sollen anhand dieser Regelungen sogar ganz ohne Vorhandensein irgendwelcher konkreten Anhaltspunkte die Internetnutzer identifzieren können. Weiss das Herr Rohleder alles nicht oder blendet er das bewusst aus?

 

Herr Rohleder vermutet keine US-Datenabgriffe bei deutschen IT-Anbietern

Müller: Haben Sie, Herr Rohleder, als Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BITCOM über ähnliche Dinge [den Zugriff auf Datenabgriff von US-Geheimdiensten bei deutschen IT-Unternehmen, Anmerkung des Autors], über diese Dinge schon jemals mit den Konzernführungen, die in Deutschland sind, gesprochen?

Rohleder: Wir haben natürlich intensiv diskutiert, was der Patriot Act für in Deutschland bearbeitete Daten bedeutet, und haben aber über Fragen des Zugriffs von US-amerikanischen Nachrichtendiensten auf Server von Unternehmen natürlich in Deutschland nicht gesprochen.

Müller: Auch nicht mit Microsoft beispielsweise in Deutschland?

Rohleder: Mit keinem Unternehmen wurde hier darüber gesprochen, dies auch vor dem Hintergrund, dass wir bislang keinen Anlass hatten, solche Themen hier auch wirklich dann zur Sprache zu bringen.

Festgehalten: Die Fachleute der BITKOM sahen bis zu diesem Zeitpunkt „keinen Anlass“, mit ausländischen Unternehmen darüber zu sprechen, ob deren Geheimdienste deutsche IT-Unternehmen bzw. die Nutzer deutscher IT-Angebote mittelbar oder unmittelbar ausspionieren.

o_O

 

Herr Rohleder über DE-Mail

Müller: Können Verbraucher, die User, die Nutzer ihren Konzernen, ihren Plattformen, die sie jedenfalls benutzen, noch vertrauen?

Rohleder: Das hängt ein wenig von der Plattform ab zum einen. Zum Zweiten haben wir natürlich auch Instrumente, mit denen wir uns schützen können. Die sind zum Teil sehr einfach. Wir haben hier in Deutschland einen neuen E-Mail-Dienst, den De-Mail-Dienst. Wir haben den E-Post-Brief, wo man besonders vertrauenskritische Informationen dann abwickeln kann. Wir müssen uns natürlich schon überlegen, was machen wir alles im Internet, inwieweit kommunizieren wir elektronisch und inwieweit nutzen wir zum Beispiel verfügbare Verschlüsselungsmechanismen, um uns hier in Zukunft besser zu schützen, auch vor dem Zugriff nationalstaatlicher Behörden.

Es wirkt schon fast skurril, dass/wie Herr Rohleder an dieser Stelle den Konstruktionsfehler des DE-Mail-Systems ausblendet. Es gibt nämlich keine durchgehende Verschlüsselung der Kommunikation. Im Gegenteil dürfen/sollen/wollen die Anbieter eines DE-Mail-Dienstes die Verschlüsselung bei sich, auf ihren Systemen aufbrechen, um sie erst danach wieder zu verschlüsseln und weiterzusenden. Dieses Merkmal in Verbindung mit den mehr als weichen Aussagen des Herrn Rohleder lassen (zumindest für mich) das Vertrauen in das DE-Mail-System auf Null sinken. (Sofern es zuvor noch einen höheren Rang gehabt haben sollte.)

 

Herr Rohleder über sein Verständnis vom Internet

Die folgende Aussage reflektiert meines Erachtens nach die Tiefe des technischen Verständnisses von Herrn Rohleder davon, wie „das Internet“ funktioniert – der BITKOM-Geschäftsführer zeichnet das Bild „nationalstaatlicher Grenzen“ im Internet … aber am besten selber lesen und selber beurteilen:

Rohleder: (…) Ich habe eine gewisse Sorge, dass diese Diskussion dazu führt, dass wir im Grunde genommen so etwas wie nationalstaatliche Grenzen ins Internet wieder einziehen, wo jeder seine eigene Infrastruktur aufbaut, weil natürlich die Daten, die wir uns unter dem Stichwort „Big Data“ in Zukunft kommunizieren, also auch Gesundheitsdaten, Standortdaten in der Verkehrstelematik, oder Bildungsdaten, dass diese Daten noch viel sensibler sind als die E-Mails, die wir heute zwischen Freunden und Verwandten hin- und herschicken.

 

Bild: Eigene Bildkomposition aus dem BITKOM-Pressefoto von Herrn Rohleder und einem Bild des BITKOM-CeBIT-Messestandes (Bild von Ralf Roletschek, CC-BY-SA) aus 2012. CC-BY-SA

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung von Micha wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

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Bild von NoCCTV.org.uk – CC-BY-NC

Anlässlich des bevorstehenden 2. Internationalen Aktionstags gegen Videoüberwachung, an dem sich auch zwei Ortsgruppen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung beteiligen, veröffentlichen wir hiermit die aus 2005 stammenden Vertragsvereinbarungen zwischen der Deutschen Bahn AG bzw. ihrer für die Bahnhofsüberwachung verantwortliche DB Station & Service AG und der Bundespolizei.

Die Verträge bergen zwar keine ausgeprägten Sensationen, belegen aber im Detail, wie sehr Bundespolizei und Deutsche Bahn hinsichtlich der Videoüberwachung an Bahnhöfen miteinander verquickt sind.

So darf die Bundespolizei:

  • sämtliche Kameras der DB benutzen und bedienen,
  • alle Kameras zur Anfertigung von Bild-Aufzeichnungen verwenden,
  • dafür alle vorhandenen Schnittstellen nutzen, Strom beziehen,
  • Standorte, Einstellungen und sonstige technische Details (z.B. Steuerung, Zoom, Auslösung) der Kameras bestimmen,
  • die Räumlichkeiten der Überwachungs-Leitstellen der DB mitbenutzen.

Eine besonderes Augenmerk verdient der in einem knappen Satz daherkomende § 9 unter der Überschrift „Vergütung“:

„Die Gestattung erfolgt unentgeltlich.“

Die Videoüberwachung ihrer Kundschaft als kostenloser DB-Special-Service für die Bundespolizei!

Die Deutsche Bahn AG gibt sich als Mäzen und bezahlt alles – hingegen muss sie die Anschaffung, die Wartung sowie die komplette Infrastruktur inklusive aller stationären Aufzeichnungsgeräte und das Überwachungs-Personal bereitstellen und bezahlen.

 

(Un)Zulässige Quer-Subventionierung der Bundespolizei?

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Bild von NoCCTV.org.uk – CC-BY-NC

Angesichts der jüngst bekanntgegebenen Investitionen für mehr Überwachungskameras an den Bahnhöfen von insgesamt rund 60 Millionen Euro stellt sich damit die Frage, inwiefern die Deutsche Bahn AG damit auf Kosten der Bahnreisenden die staatliche Videoüberwachung quersubventioniert, ob das den Kunden der Bahn überhaupt bewusst und recht ist und ob dieses „Finanzierungsmodell“ zulässig ist …

Schon jetzt erfassen nach eigenen Angaben der DB bundesweit 4.800 Kameras jeden Tag rund 7,5 Millionen Bahnkunden. Es gäbe zwar keine konkreten Hinweise für irgendwelche Anschläge, aber davon ungerührt schwadroniert Bahnchef Grube trotzdem: „Sicherheit steht für uns an erster Stelle.“

Da bleibt die Frage, was er damit meint, denn die Bundesregierung musste vor kurzem auf (kleine) Nachfrage selber zugestehen, dass ihr über etwaige Erfolge bei der Strafverfolgung mit Hilfe ihrer Videoüberwachung „keine Erkenntnisse vorliegen“ hätte. (Siehe auch: „Ein unsäglicher Innenminister“)

Das damit auch nicht unbedingt die Strecken- oder Transportsicherheit des Bahnbetriebes gemeint ist, zeigen die tragischen oder peinlichen Vorfälle mit Hochgeschwindigkeitszügen „ICE“ in den vergangenen Jahren.

Wozu dann das alles?

 

Die Bahn mauert

Derweil mauert die Deutsche Bahn AG bei Nachfragen zu diesem Thema:

Die Bitte auf Besuch und Diskussion zum Thema Videoüberwachung an Bahnhöfen wurde der hannoverschen Ortsgruppe des AK Vorrat trotz mehrfachen Nachhakens ausgeschlagen. Begründung: Die DB würde ihre Videoüberwachungsanlagen doch nur im Rahmen von „Betreiberverantwortung und Verkehrssicherungspflicht“ nutzen – der eigentliche Ansprechpartner sei bitte schön die Bundespolizei. Diese hat auf die Anfragen der Ortsgruppe aber auch nach Wochen überhaupt nicht reagiert

Auch der Nachfrage hinsichtlich der Anzahl der am Hauptbahnhof Hannover installierten Überwachungskameras gab man sich „aus Sicherheitsgründen“ schweigsam. Aus diesem Grunde hat die OG Hannover die Anlagen selber kartografiert und nachgezählt: 78 Kamera konnten mit großer Wahrscheinlichkeit der Deutschen Bahn bzw. der Bundespolizei zugerechnet werden. Weitere rund 100 Kameras gibt es in den dort betriebenen Ladengeschäften sowie in dem Teil der unter dem Bahnhof befindlichen Passarelle. Das Dokument dieser Kamerazählung samt Lageplänen wurde veröffentlicht.

(Eine ähnliche Bestandaufnahme gibt es nun aber auch für den Berliner Bahnhof am Kottbusser Tor – dort fanden die Aktivisten 57 Kameras vor.)

 

Die Bahn macht einen auf Datenschutz

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Bild von NoCCTV.org.uk – CC-BY-NC

Schließlich scheint die Deutsche Bahn AG nicht besonders viel für die Einhaltung gesetzlicher Standards übrig zu haben, denn die gesetzlich vorgeschriebene Beschilderung der Bahnhof-Außenkameras fehlt an – soweit bekannt – allen mit derartigen Überwachungssystemen ausgerüsteten Bahnhöfen!

Auf einen konkreten Fall am S-Bahnhof Berlin-Friedrichsstraße angesprochen reagierte das „Servicemanagement“ zwar sehr schnell und versprach Besserung, doch auch Wochen später hatte sich nichts an der Situation geändert.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte wurde deswegen dazu angeschrieben und gebeten, sich der Sache anzunehmen.

 

Die Sicherheit von Videoüberwachungssystemen

Aufgrund der zunehmenden Vernetzung von Videoüberwachungssystemen werden diese Anlagen immer anfälliger gegen unerwünschten Zugriff und Manipulation von außen.

Hingewiesen sei auf einen gestern bekannt gewordenen Fall eines Sicherheitsproblems eines renommierten Anbieters „hochwertiger“ Videoüberwachungstechnik: Ein über das Internet getätigte Angriff ermögliche Unbefugten den vollumfänglichen Zugriff auf die Überwachungssysteme. Die Liste der Präferenzkunden, die diese anfälligen Systeme einsetzen ist lang und reicht von einer ägyptischen Fluglinie, einer chinesischen Bank, der U-Bahn in der georgischen Hauptstadt Tiflis und einem indischen Erdölkonzern bis hin zur japanischen Polizei oder dem kolumbianischen Militär …

… da hat es die „Sicherheitsindustrie“ mit der „gefühlten Scheinsicherheit“ mal wirklich ernst gemeint.

 

Bilder: Die Bilder stammen von der britischen, videoüberwachungs-kritischen Bürgerrechtsbewegung NoCCTV und kündigen deren diesjährige Aktionen zum morgigen Samstag, dem Internationalen Aktionstag an. Lizenz der Bilder: CC-BY-NC

 

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung von Micha wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

Automatische Bild- und "Stimmungs-"Erkennung, wie vom Fraunhofer Institut auf der CeBIT 2013 präsentiert.

Automatische Bild- und „Stimmungs-„Erkennung, wie vom Fraunhofer Institut auf der CeBIT 2013 präsentiert.

Auf der der ersten Freedom not Fear in Brüssel in 2011 haben sich videoüberwachungskritische Gruppen aus mehreren Ländern zusammengefunden und eine offene, internationale Gruppe gebildet.

Den 8. Juni als Jahrestag der Erstherausgabe von George Orwells „1984“ haben Sie schon im letzten Jahr zum „Internationalen Aktionstag gegen Videoüberwachung“ ernannt und so soll auch am kommenden Samstag wieder Gelegenheit sein, im Rahmen dieses Tages auf die Ausuferung von Umfang und technologischem Einsatz von Videoüberwachung hinzuweisen.

Zu alledem gibt es sowohl einen kleinen, einfachen Internetauftritt (www.1984actionday.wordpress.com) als auch einen von den britischen Freunden gepflegter Videoüberwachungskritik angefertigten Info-Trailer:

1984 Action Day Promo – 8th June from George Ogden on Vimeo.

 

Unter den bislang angekündigten „Aktionen“ wird auch auf Veranstaltungen in Berlin und in Hannover hingewiesen.

 

Übersicht der Videoüberwachungsanlagen am Berliner Bahnhof "Kottbusser Tor", im Detail auch hier anzusehen.

Übersicht der Videoüberwachungsanlagen am Berliner Bahnhof „Kottbusser Tor“, hier im genauen Detail dokumentiert.

Berlin

In Berlin wird es am Samstag eine öffentliche Erkundungstour durch die mit verhaltenserkennender Videoüberwachungstechnik ausgestatteten Bahnhöfe Kottbusser Tor und Möckernbrücke geben. Treffpunkt ist jeweils um 15 bzw. 16 Uhr.

Dass in Berlin ein besonders inniges Verhältnis zur übermäßigen und (nahezu?) flächendeckenden Überwachung von U- und S-Bahn-Benutzern hat zeigt sich nicht nur an der besonderen Ausgestaltung des Berliner Polizeirechts, wonach der Polizei ein expliziter Zugriff auf die Videoüberwachungsanlagen eingeräumt wird.

Nein, die Berliner „Christdemokraten“ fordern seit neuestem sogar einen gesetzlich verbrieften Zwang, wonach der öffentliche Personennahverkehr flächendeckend per Videokameras zu überwachen sei.

Ach, würden sich diese Berliner Lokalpolitiker doch stattdessen endlich mal für die Einführung kräftiger Sanktionen für die Durchsetzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bei Videoüberwachung (§6b BDSG) einsetzen.

Oder würden sie sich mal bei der Berliner Polizei erkundigen, die auf Nachfrage selber zugeben musste, dass sie überhaupt keine Belege dafür hat, dass diese Videoüberwachung des ÖPNV überhaupt nützlich ist, von Verhältnismässigkeit mal ganz zu schweigen.

Oder würden die Berliner Überwachungsfreunde mal nach Hannover schauen, wo der Landesdatenschutzbeauftragte die Einrichtung überwachungsfreier Zonen in Bussen und Bahnen angeordnet hat.

Oder – vielleicht auch keine schlechte Idee – hätten die sich „christliche und demokratische Politiker“ nennenden Menschen einen Blick in das Volkszählungsurteil geworfen (es wird dieses Jahr 30 Jahre alt!), dann wäre Ihnen klar geworden, dass eine flächendeckende Videoüberwachung nichts mehr mit dem Modell einer freien Gesellschaft mit unabhängigen und selbstbestimmten Menschen zu tun hätte.

 

Videoüberwachung im Hauptbahnhof und in der Passarelle von Hannover, hier als Übersicht, woanders in ganzem Detail nachzulesen.

Videoüberwachung im Hauptbahnhof und in der Passarelle von Hannover, hier als Übersicht, woanders in ganzem Detail nachzulesen.

Hannover

In Hannover wird es schon am Freitag ein Treffen mit der Zentralen Polizeidirektion Hannover geben – Besichtigung und Diskussionen des Einsatzes von KFZ-Kennzeichenscannern wird das Thema sein, eventuell auch noch die polizeilichen Drohnen und deren umstrittener Einsatz in diesem Bundesland.

Am Samstag wird um 14 Uhr zum Überwachungsspaziergang durch die Innenstadt eingeladen – an einigen markanten Punkten soll es um Videoüberwachung, RFID-Technik und alles andere gehen, was die Beteiligten interessiert und wozu sich eine Gelegenheit ergibt. Eventuell wird auch die Menschenkamera zum Einsatz kommen.

Die Veranstaltungen Hannover enden dann mit einem gemeinsamen Medienabend mit dem Film „Das Leben der Anderen“ und vielleicht noch mehr.

Hinzuweisen bleibt noch auf die schon im letzten Jahr erschienene 80seitige Dokumentation „Videoüberwachung in Hannover“, die den Stand der Videoüberwachung in der Landeshauptstadt und deren Entwicklung in den vergangenen fünf Jahren festschreibt.

Und weil die Deutsche Bahn AG trotz mehrfacher Anfragen nicht dazu bereit war, Auskunft über ihre Videoüberwachungsanlagen am Hannoveraner Bahnhof Auskunft zu erteilen, hat sich die Hannoversche Ortsgruppe des AK Vorrat die Mühe und den Spaß bereitet, die dortige Überwachungstechnik einfach selber zu kartografieren und das Ergebnis hiermit zu veröffentlichen.

Wir verstehen das als Ausgestaltung unseres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung.

 

Mitmachen erlaubt

Wer noch auf die Schnelle Freude auf’s Mitmachen bekommen hat, ist herzlich dazu eingeladen. Kontakt entweder über eine der genannten Ortsgruppen (Berlin, Hannover) oder über den allgemeinen Kontakt zum AK Vorrat.

 

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung von Micha wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

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Die 1974 geborene „Designforscherin“ Gesche Joost wurde unlängst zur Netzpolitik-Verantwortlichen des „SPD-Kompetenzteams“ ernannt. In einem wenige Tage danach veröffentlichten Interview äußerte sich Frau Joost (kurz) zur Vorratsdatenspeicherung. Ihre Antwort auf die Frage ihrer Stellungnahme dazu wirft jedoch einige Fragen auf, so dass wir uns als Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung dazu entschlossen haben, Frau Joost in einem offenen Brief wie folgt anzuschreiben:

Sehr geehrte Frau Joost,

mit Interesse haben wir als Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Ihre Äußerungen zur Vorratsdatenspeicherung im Rahmen eines Interviews mit dem „Spiegel“ vom 17. Mai 2013 gelesen.

Auf diesen Streitpunkt angesprochen sagten Sie:

„Eine generelle Vorratsdatenspeicherung ist kritisch – Ausnahmen kann es nur bei schwersten Straftaten und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geben. Die Speicherung von Bewegungsprofilen lehne ich ab.“

Wir freuen uns über Ihre klare Haltung zur Ablehnung von Bewegungsprofilen, was aus unserer Sicht jedoch eine Vorratsdatenspeicherung (gemeint ist hier: die Vorratsdatenspeicherung aller Telekommunikations-Verbindungsdaten aller Bürger und Einwohner Deutschlands ohne irgendeinen spezifischen Grund oder Anlass) per se verbieten würde, denn Standortdaten werden von den Telekommunikationsanbietern im Mobilfunkbereich flächendeckend erhoben. Darüber hinaus können auch aus Kommunikationsverbindungsdaten (z.B. IP-Datensätze von Internetverbindungen oder ein Telefonat mit Arztpraxis an einer festen Anschrift) gewisse Rückschlüsse auf Bewegungen von Bürgerinnen und Bürgern gezogen werden.

Aus diesem Grund sind wir nicht sicher, wie wir Ihre Anmerkung zur Vorratsdatenspeicherung insgesamt zu verstehen haben und ob Sie eventuell eine Annäherung an unsere Haltung, die grundsätzliche Ablehnung jeglicher Vorratsdatenspeicherung aus guten, fundierten und vielfach dargelegten Gründen (siehe zum Beispiel hier und hier), bedeuten könnte oder nicht.

Und darum unsere Frage an Sie:

Wären Sie bereit, mit uns darüber zu diskutieren?

Über Zeitpunkt, Form und Umstände eines Diskussionsprozesses oder eines Gesprächs wäre dann genaueres zu klären, wir möchten zunächst aber anfragen, ob Sie zu einem solchen Prozess (vor der Bundestagswahl) eventuell überhaupt bereit wären oder eben nicht und würden uns sehr über eine Antwort bis zum 14. Juni 2013 freuen.

Mit freundlichen Grüßen,

In den letzten Tagen sind zwei bemerkenswerte Vorgänge offenbar geworden, die die Frage aufkommen lassen, wie es mit der Beziehung zwischen Polizeibehörden und Wirtschaftsunternehmen bzw. deren Austausch von personenbezogenen Daten steht.

Es geht um die Bundespolizei und um die Deutsche Bahn AG.

 

zis-informationsaustausch

Deckblatt eines Vorauslage-Berichts der ZIS für die letzte Bundesliga-Spielrunde der Saison 2012/2013

1. Überwachung von Fußballfans

Aus einem Blogbeitrag auf www.publikative.org, einem von der Amadeu Antonio Stiftung getragenen Weblog, wird über die Datensammelwut der Bundespolizei im Rahmen der Vorberichte zu Fußball-Bundesliga-Wochenenden berichtet:

„Der Aufwand, den die Polizei betreibt, um Fußballfans zu überwachen, nimmt mittlerweile Ausmaße wie in einem Überwachungsstaat an. Zu jedem Spiel der 1., 2. und 3. Liga werden die Anfahrtswege der Auswärtsfans ausgeforscht und diese Daten gesammelt. Zehntausende Fans der Kategorie A stehen somit jede Woche im Fokus, wie ein internes Dokument belegt.“

Die so genannten Vorauslage-Berichte der umstrittenen ZIS, der (ziemlich wortkarten und zudem umstrittenen) Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze, die bundesweit für die Sammlung von Informationen über die Fußballfanszene zuständig ist, sind in ihrer Ausführung für den letzten, den 34. Spieltag vom vergangenen Wochenende sowohl für die erste als auch für die zweite Bundesliga an die Fanszene geraten und genauer untersucht worden und liegen hier vor.

Publikative.org dazu:

„Die uns vorliegenden Berichte offenbaren eine erstaunliche Sammel- und Erfassungswut der Behörden im Hinblick auf die Anreisewege von Fußballfans zu den Spielorten. Vor allem aber werden mehrheitlich Fans in den Lageberichten erfasst, die selbst nach Einschätzung der Polizei zur “Kategorie A” gehören – also noch nicht mal “anlassbezogen” als gewalttätig einzustufen sind.“

Aber woher hat die Bundespolizei die zum Teil sehr detaillierten Informationen über die Reisewege fußballbegeisterter Fans, die den Eindruck machen, als betreibe da jemand eifrig eine Sammlung von Bewegungs- oder Reisedaten? Der Blogbeitrag zeichnet drei denkbare Möglichkeiten:

1. Eine systematische Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei der Deutschen Bahn AG: Informationen über Gruppenreisen und Reisende könnten demnach gesammelt und an die Polizei weitergegeben werden. Die sogenannten “Szenekundigen Beamten” (SKBs) könnten dann anhand der Namen in etwa auswerten, um welche Gruppierung es sich handeln könnte.

2. Die SKBs durchforsten selbst systematisch Foren und andere Informationskanäle und prüfen dann ihrerseits entsprechende Bahnbuchungen.

3. Es handelt sich um Informationen, die von in der Fußballfanszene eingeschleusten V-Leuten stammen.

Keine der drei Varianten macht froh.

Für einen Umgang der Daten nach Möglichkeit 1 durch die DB AG gäbe es keinerlei Rechtsgrundlage (wobei die Deutsche Bahn ja nicht unbedingt als der zuverlässigste Partner in Sachen Schutz der Privatsphäre gilt), die Option 2 scheint angesichts des damit verbundenen Aufwands für die „szenekundigen Beamten“ unglaubwürdig (außer, es gäbe eigens dafür eingerichtete und technisch ausgerüstete Abteilungen …) und die Unterwanderung von Szenen mit durch Steuergelder bezahlte Spitzel, wie in Variante 3 beschrieben, ist ebenso abzulehnen wie der Einsatz von V-Leuten in irgendwelchen anderen Zusammenhängen. Ich zumindest lehne so etwas kategorisch ab.

Wie auch immer: der bundespolizeiliche Bericht wimmelt nur so von der Nennung zahlreicher KFZ-Kennzeichen der Reisebusse, mit der jeweilige einzelne Gruppen von Fans von A nach B reisen, die Benennung von zum Teil sehr genauen Angaben der Größen von Reisegruppen mitsamt Angabe der jeweiligen Zugverbindungen, die benutzt werden.

Der Datenaustausch zwischen Bundespolizei und den Fußballvereinen sowie der Deutschen Bahn AG scheint bestens organisiert zu sein und es stellen sich mir Fragen:

Inwieweit dürfen Deutsche Bahn und die Profivereine solche zweckgebundenen Daten sammeln und weitergeben?
Und erhalten diese privatwirtschaftlich organisierten Betriebe in gleichen Zusammenhängen ebenfalls persönliche Daten von so genannten „Problemfans“?
Ist so ein Datensammelsystem ohne einen bidirektionalen Datenaustausch überhaupt möglich?

 

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Der Kottbusser Bahnhof in Berlin – ein Vorzeigeobjekt der DB AG mit insgesamt ca. 57 Kameras im Dienste eines Systems zur automatisierten Erkennung „abnormalen Verhaltens“ … (CC-BY-SA Michael Ebeling)

2. Videoüberwachung an Bahnhöfen

Wie heute frisch vermeldet wurde, möchten die Innenminister und die eine Innenministerin von Bund und Länder dafür „sorgen“, dass die Bahnhöfe in Deutschland mit mehr Videoüberwachung ausgestattet werden. Vom medial groß verkündeten Widerstand einiger SPD-Innenminister ist offenbar nicht viel übrig geblieben.

Umso interessanter die Information, dass die Deutsche Bahn AG und Bundespolizei auch auf diesem Gebiet enge Zusammenarbeit und Datenaustausch pflegen.

So teilte das Bahnhofsmanagement der so genannten 3-S-Zentrale (3-S = „Service, Sicherheit und Sauberkeit“) im Hauptbahnhof Hannover mit, dass Sie zwar zahlreiche Kameras im Bahnhof installiert habe, dass sie aber nicht bereit seien, sich mit uns (angefragt hatte die hannoversche Ortsgruppe des AK Vorrat) zu einer Besichtigung und/oder Diskussion zu treffen.

Begründung:

Nur die Bundespolizei würde mit Hilfe der DB-Kameras Aufzeichnungen machen, nur die Bundespolizei würde auf diese Aufzeichnungen Zugriff haben und nur die Bundespolizei sei für den Einsatz der Videotechnik entscheidungsbefugt zuständig. Auf mich macht das den Eindruck, als könne die DB gar nichts dafür, dass in ihren Bahnhöfen so viele Kameras hängen würden.

Anlaß für diese Antwort war – nebenbei gesagt – eine Anfrage im Rahmen des bevorstehenden internationalen Aktionstags zur Videoüberwachung am 8. Juni. Neben anderen Vorhaben hatte der AK Vorrat Hannover alle Betreiber größerer Videoüberwachungs-Zentralen in Hannover mit der Bitte um Besichtigung und Diskussionsgelegenheit angeschrieben.

Die 3-S-Zentralen betreiben auf Grundlage von Verträgen eine große Zahl von Kameras samt Aufzeichnungstechnik auf eigene Kosten. Der Bundespolizei wird der Zugriff auf Steuerung und Aufzeichnungstechnik gewährt – kostenlos. Eine interessante Konstallation.

Übrigens:

Trotz einer weiteren Nachfrage an das hannoversche Bahnhofsmanagement, dass wir durchaus Interesse an einem Treffen hätten, selbst wenn die Deutsche Bahn keine Aufzeichnungen vornimmt sondern „nur“ eine „Live“-Überwachung der Bahnhofsgäste durchführt, bescherte uns kein Entgegenkommen: man unterstellte uns einfach weiterhin, dass wir uns dafür gar nicht interessieren würden …

Und von der von uns ebenfalls angefragten Bundespolizei haben wir noch keine Rückmeldung auf unsere Anfrage erhalten …

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung von Micha wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.