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All posts for the month Februar, 2014

#1 Vorstellungsflyer
#2 The day we fight back
#3 Vorratsdatenspeicherung in Amerika und hier
#4 Technik
#5 AktivKongress
#6 Kampagne zur Abschaffung des Verfasschungsschutz
#7 Verfassungschutz abschaffen
#8 Aus den Ortsgruppen
#9 links

#1 Vorstellungsflyer

Patrick hat, unter Einbeziehung eures Feedbacks vom letzten Jahr  (Thread „[AKV-ML] Flyer über den AK Vorrat“) mal einen Text gemixt, der brauchbar erscheint: http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Flyer/AKV
Fragt sich jetzt, ob wir hier jemaden in unseren Reihen haben, der das ganz in ein gutes Design gießen will.

#2 The day we fight back

Am 11. Februar ist dieser besondere Tag, an dem „wir zurückschlagen“. Etwas sehr amerikanisch in der Aufmachung, aber dennoch ein weiterer Punkt auf der langen Liste der Empörung gegen die Geheimdienste. Auf der entsprechenden Internetseite sind eben auch jede Menge Firmen dabei, denen die Überwachung (angeblich?) auch nicht schmeckt. TheDayWeFightBack.org.

#3 Vorratsdatenspeicherung in Amerika und hier

Die ist nämlich ziemlich ineffektiv. Erschreckend, könnte man fast sagen, hätte man das nicht schon vorher gewusst.
http://www.devianzen.de/2014/01/24/us-dsbeirat-vds-abschreckend-missbraeuchlich-ineffektiv/
Den ganzen Bericht gibt es auf http://www.pclob.gov/.

Für Deutschland hat Alvar sein Gutachten veröffentlicht, das er 2011 für die SPD-Bundestagsfraktion erstellt hat:
http://blog.alvar-freude.de/2014/01/gutachten-vorratsdatenspeicherung.html

In Sachen EuGH-Prozess hat Patrick noch einmal auf seinen amicus-curiae-Brief hingewiesen. Wie ist da denn der Stand, ist der abgeschickt? Denn durch langes Schweigen gab es dann doch noch einen Konsens, allerdings wurden kurz dann doch noch fragliche Statistiken, die in dem Brief Erwähnung fanden, bezweifelt.

#4 Technik

Spamalarm im Wiki. Beseitigt, dank unseren Admins. Ein großes Problem bleibt dabei: „Im Laufe der Jahre sind diverse „Kraut und Rüben“-Strukturen gewachsen, die nicht überall von Vorteil sind“. Die können dann hoffentlich im August mal auf Stand gebracht werden, siehe nächsten Punkt.

#5 AktivKongress

padeluun hat zwar immer noch keinen Termin dafür auf den AK-Listen bekanntgegeben. Wird er sicherlich bald nachholen. Dafür gibt es Planungen für den so genannten Admin-AktivKongress oder wie immer man den Relaunch mit Redesign und allem was dazugehört nennen will: „Wir könnten von Sonntag Abend 10.8.2014 (Anreise) bis Freitag 15.8., Nachmittags (Abreise) im Rahmen des Mediensommers ein entsprechendes Arbeitsseminar anbieten. Sprich: Da kommen alle, die Lust haben, mitzuarbeiten, werden im Rahmen des Mediensommers beköstigt, bespasst etc. und in der Zeit bauen wir das Tikiwiki so, dass man damit arbeiten kann (z.B. Eingabetemplates), bauen die css-Dateien, und übertragen die Inhalte. Wir sitzen also alle an einem Tisch (bildlich) und ackern einfach still vor uns hin, bis das System sitzt. Gut wäre es, wenn es breits vorher ein mit ML abgestimmtes Grafikkonzept gäbe – oder ML uns prokura gibt, das vor Ort zu entscheiden.“ Vor allem den letzten Punkt, die Vollmacht, vor Ort Dinge zu entscheiden, fände ich sehr wichtig!

#6 Freiheit-statt-Angst und Mumble

Es gab ein Mumble-Treffen dazu, das wohl auch sehr erfolgreich war. Sorry an dieser Stelle, ich hab’s nicht dazu geschafft. Es soll bis zur großen FSA, so es denn eine gibt, mehrmals dezentral demonstriert werden. Die Leute in Köln wollen vielleicht im März/April  demonstrieren, angedacht war ja auch der 17. Mai. Da sind auch Blockupy-Aktionen, mit denen könnte man sich ja abstimmen. Diese
lokalen Demos sollen Bundesweit beworben werden, vom AK unterstützt, aber regional/lokal eben geplant. Dazu braucht es tatkräftige Ortsgruppen, wer ist denn da wohl so dabei?!

Soweit ich das verstehe, gibt es jetzt regelmäßig Mumble-Talks, jeden Sonntag um 18 Uhr?!

Außerdem hat Detlev die Abrechnung der letztjährigen FSA rumgeschickt.

#7 Verfassungsschutz abschaffen

Die Demo „Wir schliessen den Verfassungsschutz“ fand heute vor dem Landesamt fuer Verfassungsschutz in Hannover in der Buettnerstr. 28 statt. Es hieß, die Presse habe sich großräumig angekündigt, ich bin gespannt auf einen Bericht.

#8 Aus den Ortsgruppen

##1 Köln
In Köln gab und gibt es sehr viel zu erleben: Neben der großartigen Podiumsdiskussion, den IDP14 und die Cryptoparty in der Uni.
Auch der Europäische Datenschutztag wurde in Köln begangen.

Die Ansage „Guten Abend. Heute ist Europäischer Datenschutztag.(…)“ kam übrigens sehr gut an.
Und Videoüberwachung wird in Köln leider auch ausgeweitet:
http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Ortsgruppen/K%C3%B6ln-Bonn/Brief_Roters#Der_offene_Brief_als_PDF
http://www.express.de/koeln/-videoueberwachung-illegal–darf-die-kvb-gar-nicht-filmen-,2856,26046686.html
https://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Ortsgruppen/K%C3%B6ln-Bonn/KVB-Anfrage-zur-Bus-%C3%9Cberwachung

##2 Jena
Die OG Jena hat sich wiederbelebt, find ich großartig! Und der Bericht
auf der Liste sprüht sehr vor Tatendrang.

#9 links

  • http://hinter-den-schlagzeilen.de/2014/01/20/aufruf-zu-einem-europaischen-fruhling/
  • Die eGK mit Mehrwert:
    <http://heise.de/-2090164>
    <http://www.theguardian.com/society/2014/jan/19/nhs-patient-data-available-companies-buy>
  • http://www.heise.de/newsticker/meldung/Die-Kriminalbeamten-und-der-ausgespaehte-Buerger-Geraet-der-Rechtsstaat-aus-den-Fugen-2098744.html
  • GNuPG project ask for support
    http://goteo.org/project/gnupg-new-website-and-infrastructure/home
  • Mit einem Seitenhieb-Lob:
    28.01.2014 – 10:32
    Staatliche Überwachung: Die Stunde der Sicherheitsesoteriker
    http://www.spiegel.de/netzwelt/web/sascha-lobo-ueber-sicherheitsesoterik-und
  • eGK rechtswidrig?
    https://digitalcourage.de/themen/elektronische-gesundheitskarte/elektronische-gesundheitskarte-rechtswidrig
  • http://blog.vorratsdatenspeicherung.de/2014/02/06/innenminister-kann-nutzen-einer-verdachtslosen-vorratsdatenspeicherung-nicht-belegen/
  • Eine sehr interessante Analyse von „Sicherheit“
    http://unsicherheit.tk/359/uberwachungskritik-was-ist-das-uberhaupt
  • http://www.heise.de/newsticker/meldung/Postdienstleister-De-Mail-fuer-Firmen-kommt-an-2094457.html

Auf meine Anfrage hat der schleswig-holsteinische Innenminister Breitner (SPD) kritische Fragen zum angeblichen fachlichen Bedarf nach einer verdachtslosen Vorratsspeicherung aller unserer Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetverbindungsdaten beantwortet. Hier die Fragen, die Antworten und meine Kommentare:

Frage 1
Welche polizeiliche Aufklärungsquote ergibt sich landesweit bei den seit 2008 jeweils geführten polizeilichen Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften (PKS-Schlüssel 143200, 143300, 143400) mit der Kennung „Tatmittel Internet“?

Antwort:

vds-sh

Kommentar: Die Aufklärungsrate von Internetdelikten nähert sich der durchschnittlichen Aufklärungsquote (ca. 50%) an und ist dadurch rückläufig. Die Strafverfolgung im Netz ist aber bis heute (ohne Vorratsdatenspeicherung) erfolgreicher als die Strafverfolgung außerhalb des Netzes begangener Straftaten. Die von 2009-2010 praktizierte sechsmonatige Vorratsspeicherung der Zuordnung unserer IP-Adressen hatte keinerlei erkennbaren Einfluss auf die Entwicklung der Aufklärungsquote im Bereich kinderpornografischer Delikte. Dasselbe Bild ergeben bundesweite Zahlen.

Frage 2
Wie viele der unter Ziffer 1 bezeichneten Straftaten konnten wegen fehlender Verkehrsdaten nicht aufgeklärt werden?

Antwort:
Weder die PKS noch andere polizeiliche Statistiken sehen eine derartige Differenzierung vor. Insofern existiert hierzu kein belastbares Zahlenmaterial.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass durch polizeiliche Ermittlungen „dynamische IP-Adressen“ von Tatverdächtigen regelmäßig in Erfahrung gebracht werden können, hingegen die Beauskunftung der dahinter stehenden konkreten Kundendaten wegen mangelnder Speicherungsverpflichtung bei den Providern oftmals scheitert.
In vielen Fällen von „Cybercrime“, wie der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet, kann dadurch der einzig vorhandene Ermittlungsansatz nicht ausgeschöpft werden.

Kommentar: Es gibt keinen Nachweis dafür, dass im Fall einer Vorratsdatenspeicherung mehr Straftaten aufgeklärt werden könnten.

Frage 3
In wie vielen dieser Fälle hätten anlasslos gespeicherte Verkehrsdaten die Ermittlungen tatsächlich zum Täter geführt und nicht bloß zu Internetcafes, offenen Netzzugängen, Anonymisierungsdiensten, unregistrierten Prepaid-Karten, o.ä?

Antwort:
Unter Hinweis auf die vorherige Antwort lässt sich auch diese Frage nicht konkret beantworten.
Allerdings kann grundsätzlich gesagt werden, dass die Auswertung von Verkehrsdaten, die nicht unmittelbar zu einem Tatverdächtigen führen, sondern ggf. zu Internetcafes o.ä., dennoch weitere Ermittlungsansätze bieten kann.

Kommentar: Selbst wenn den Ermittlern mehr Verkehrsdaten zur Verfügung gestanden hätten, gibt es keinen Beleg dafür, dass dadurch mehr Fälle aufgeklärt worden wären. Denn oftmals führen Verkehrsdaten nicht zum Täter oder wird dieser bereits durch andere Beweismittel überführt.

Frage 4
Wie viele der polizeilich als aufgeklärt verzeichneten Verfahren nach Ziffer 1 endeten später durch Einstellung ohne Auflagen oder Freispruch?

Antwort:
Hierzu erklärt der Generalstaatswalt im Auftrage des Justizministeriums:
„Die Fragestellung vermengt Spezifika der polizeilichen (PKS) und staatsanwaltschaftlichen (MESTA) Statistik, indem sie einerseits polizeiliche Begriffe der Aufklärung und PKS-Schlüssel verwendet und andererseits justizielle Erledigungen abfragt.
Das staatsanwaltschaftliche MESTA-System lässt straftatbestandsbezogene (hier: § 184 b StGB) statistische Abfragen in Bezug auf Verfahrenserledigungen in Form von Anklagen zu, nicht aber nach Maßgabe eines – im Übrigen inhaltlich noch zu definierenden – Kriteriums der Aufklärung. Zudem ist bei der Verfahrenserfassung keine Kennzeichnung „Tatmittel Internet― vorgegeben.
Die Frage kann mithin nicht beantwortet werden.“
Die PKS enthält allein polizeilich erhobene Daten bis zur Abgabe des Ermittlungsvorganges an die Staatsanwaltschaft und trifft daher keine Aussagen über justizielle Verfahrensausgänge.

Kommentar: Selbst wenn eine Vorratsdatenspeicherung die polizeiliche Aufklärungsquote steigern würde (was nicht erkennbar ist), so gibt es keinen Hinweis darauf, dass dadurch mehr Personen verurteilt würden. Die Aufklärungsquote misst nämlich nur, wie viele Fälle die Polizei bei Abschluss ihrer Ermittlungen als aufgeklärt ansieht, und nicht, ob das anschließende Strafverfahren diese Einschätzung bestätigt. Für folgenlose Ermittlungen brauchen wir keine Vorratsdatenspeicherung.

Frage 5
Verfügt der Innenminister entgegen des Gutachtens der kriminologischen Abteilung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zu möglichen Schutzlücken durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung über Hinweise, dass „durch eine umfängliche Verfolgung aller Spuren, die auf das Herunterladen von Kinderpornografie hindeuten, sexueller Missbrauch über den Zufall hinaus verhindert werden kann“?

Antwort:
Generell teile ich die Auffassung des Kriminalistischen Instituts des Bundeskriminalamtes, das unter Berücksichtigung von Zulieferungen der Länder und der Bundespolizei eine Einschätzung über die zitierte Studie des Max-Planck-Instituts (MPI) aus wissenschaftlicher Sicht abgegeben hat. Quintessenz der Einschätzung:
Das MPI stellt einerseits eine insgesamt schwache empirische Datenbasis fest, zieht andererseits daran anschließend dennoch Schlussfolgerungen, die in ihrer kategorischen Diktion unsachlich erscheinen und die Studie daher an vielen Stellen mit Widersprüchen und Defiziten belegen.
Konkret zum „Herunterladen von Kinderpornografie“:
Sobald auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit besteht, den abgebildeten und womöglich andauernden Missbrauch aufklären und beenden zu können, leitet die Polizei regelmäßig alle ersichtlichen Maßnahmen ein, um Täter und Opfer zu identifizieren. Diese Intention folgt nicht dem „Zufallsprinzip“, sondern der professionellen Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Polizei, Straftaten erfolgreich aufzuklären.
Fehlt dabei die Rückgriffsmöglichkeit auf Verkehrsdaten, werden die Aufklärungsmöglichkeiten zumindest um einen in dem zugrunde liegenden Sachverhalt möglicherweise sehr wichtigen Spurensatz reduziert.
Erfahrungen des BKA, wonach in bestimmten Fällen der Anteil der tatsächlichen Sexualstraftäter unter den i.Z.m. mit Kinderpornografie im Internet ermittelten Straftätern bis zu 30% beträgt, widerlegen die These der MPI-Studie, dass nur eine verschwindend geringe Zahl an „Konsumenten“ von Kinderpornografie tatsächlich auch Kinder sexuell missbrauchen würde.
Ohnehin fällt es schwer, der These des MPI zu folgen und die „geringe“ Anzahl verhinderter sexueller Missbrauchsfälle auf eine „quantitative Unerheblichkeit“ im Verhältnis zur Zahl eingeleiteter Verfahren wegen Verbreitung und Besitz von Kinderpornografie zu reduzieren. Verfahrensökonomische Betrachtungen verbieten sich angesichts des Leids betroffener Kinder hier völlig.
Ferner kann auf eine internationale Studie(1) hingewiesen werden, die belegt, dass Pädophile umso eher selbst Kinder im Umfeld missbrauchen, je größer deren Sammlungen an kinderpornografischen Material sind und je mehr Variationen an Tathandlungen/Szenarien auf den Bildern abgebildet sind; fatal verformelt: „Bilder machen hungrig – nicht satt.“
1 Seto, M.C., Reeves, L. & Jung, S.: Explanations given by child pornography offenders for their crime; Journal of Sexual Aggression (July 210), Vol. 16, No. 2, pp. 169-180

Kommentar: Ich habe beim Innenminister wegen dieser Ausführungen nachgefragt:

1. In Ihrem Bericht zur Vorratsdatenspeicherung (Umdruck 18/2189) verweisen Sie auf „Erfahrungen des BKA, wonach /in bestimmten Fällen/der Anteil der tatsächlichen Sexualstraftäter unter den i.Z.m. Kinderpornografie im Internet ermittelten Straftäter /bis zu/ 30% beträgt“.

Ich bitte um nähere Informationen dazu. Gibt es eine repräsentative Untersuchung des BKA über den Anteil der tatsächlichen Sexualstraftäter unter den i.Z.m. Kinderpornografie im Internet ermittelten Straftäter? Wenn nein, welche Zahlen sind genau vorhanden und worauf beziehen sie sich? Beziehen sich die 30% nur auf einen einzelnen Vorgang und worum handelte es sich dabei genau?

2. Sie schreiben, eine Untersuchung von Seto/Reeves/Jung belege, „dass Pädophile umso eher selbst Kinder im Umfeld missbrauchen, je größer deren Sammlungen an kinderpornografischen Material sind und je mehr Variationen an Tathandlungen/Szenarien auf den Bildern abgebildet sind“.

Ich habe die zitierte Untersuchung nachgelesen.

Das Ergebnis: Im Rahmen dieser Untersuchung ist überhaupt nicht erhoben worden, ob die Konsumenten von Kinderpornografie „selbst Kinder im Umfeld missbrauchten“. Dementsprechend geht aus dieser Untersuchung auch keinerlei Verbindung von Konsum und Missbrauch hervor.

Wenn Sie anderer Meinung sind, bitte ich um Mitteilung, auf welche Passagen des zitierten Aufsatzes Sie Ihre Darstellung konkret stützen.

In der Medienwirkungsforschung und sonstigen Wissenschaft ist umstritten, ob die Verfügbarkeit von Darstellungen sexuellen Missbrauchs das Risiko eigener Übergriffe der Konsumenten erhöht. Nach Angaben des renommierten Berliner Krankenhauses Charité kann nach gegenwärtigem Stand der Forschung nicht abschließend beurteilt werden, inwiefern der Konsum kinderpornografischer Materialien den Wunsch nach Realisierung eines tatsächlich direkten sexuellen Kontaktes mit einem Kind und dessen Umsetzung verstärkt. In der Praxis soll es nach der Aufhebung oder Lockerung von Kinderpornografieverboten in Tschechien, Dänemark und Japan zu einem Rückgang der Kindesmissbrauchsfälle gekommen sein. Die faktisch erhöhte Verfügbarkeit von Darstellungen sexuellen Missbrauchs durch das Internet in Deutschland ist ebenfalls mit einem Rückgang der registrierten Fälle von Kindesmissbrauch einher gegangen. Zuletzt sind deutlich weniger Kindesmissbrauchsfälle registriert worden als in den 90er Jahren.

Nach alledem ist zweifelhaft, ob der Versuch einer Intensivierung der schon heute wirksamen strafrechtlichen Verfolgung des Austauschs kinderpornografischer Darstellungen den Schutz von Kindern vor sexuellen Übergriffen erhöhen kann. Jedenfalls ist nicht belegt oder auch nur plausibel, dass gerade eine IP-Vorratsdatenspeicherung auch nur ein Kind vor sexuellem Missbrauch schützen könnte. Weder aus Deutschland noch aus einem anderen Staat der Welt ist bekannt, dass die Zahl von Missbrauchsfällen nach Einführung einer Vorratsdatenspeicherung stärker zurückgegangen wäre. Auch aus den von Ihnen genannten Zahlen für Schleswig-Holstein ergibt sich dafür nichts. Bei den ausführlichen Diskussionen des Runden Tisches der Bundesregierung zu sexuellem Kindesmissbrauch ist eine Vorratsdatenspeicherung zu Recht von keiner Arbeitsgruppe empfohlen worden.

Im Übrigen verweise ich auf den offenen Brief „Intelligente Strategien für ein sicheres Netz – IP-Vorratsdatenspeicherung stoppen!“

Zur BKA-Kritik an der Studie des Max-Planck-Instituts siehe auch hier.

Frage 6
Wie häufig scheitert allgemein (also bei nicht im Internet begangenen Straftaten) die Identifizierung mutmaßlicher Straftäter an fehlenden Beweismitteln?

Antwort:
Die PKS SH weist für das Berichtsjahr 2012 eine Gesamtzahl von 203.929 Straftaten ohne das Merkmal „Tatmittel Internet“ aus. Hiervon wurden 107.944 Straftaten (52,9%) nicht aufgeklärt. Über die Gründe der Nichtaufklärung trifft die PKS keine Aussagen.

Kommentar: Im Bereich des Internets wollen die Sicherheitsfanatiker in der Politik jegliche Handlung nachverfolgen können. Dazu sollen systematisch und ohne Verdacht Informationen über unsere gesamte Telekommunikation und Internetnutzung aufgezeichnet werden. Dabei ist es im täglichen Leben normal, dass keiner mitschreibt. Jeder zweite Verdacht einer Straftat bleibt unaufgeklärt. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass das im Internet anders sein müsste.

In seltener Scheinheiligkeit und Heuchelei erklärte dieses Jahr selbst Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Regierungserklärung (natürlich bezogen auf die NSA): „Ein Vorgehen, bei dem der Zweck die Mittel heiligt, bei dem alles, was technisch machbar ist, auch gemacht wird, verletzt Vertrauen; es sät Misstrauen. Am Ende gibt es nicht mehr, sondern weniger Sicherheit.“

Frage 7
Inwieweit hat der Einsatz von Verschleierungstechniken (siehe Ziffer 3) nach Inkrafttreten des verfassungswidrigen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung zugenommen und wurde die Strafverfolgung dadurch insgesamt betrachtet eher erschwert als erleichtert?

Antwort:
Aus der polizeilichen Ermittlungspraxis heraus ist zu konstatieren, dass im Vergleich zu früher heute häufiger Verschleierungstechniken zur Anwendung kommen (Anonymisierungsdienste, Proxy-Server, u.ä. zur Maskierung der IP). Ferner hat die Verschlüsselung von Daten, z.B. durch Steganografie oder Kryptografie zugenommen. Einschlägigen Straftätern kommt dabei zugute, dass derartige Funktionalitäten von diversen Browsern schon aktiv angeboten und unterstützt werden und der User zur Installation eines solchen Dienstes/Programms kein spezifisches Fachwissen benötigt.
Unabhängig von der Thematik „Mindestspeicherfristen/Vorratsdatenspeicherung“ stellt dieser Umstand die Ermittlungsbehörden vor gesonderte Herausforderungen.

Kommentar: Eine verdachtslose Vorratsdatenspeicherung jeglicher Verbindungsdaten schadet der Strafverfolgung. Erstens werden anonyme Anzeigen deutlich erschwert, auf die die Ermittler in nicht wenigen Fällen angewiesen sind. Zweitens provoziert eine Vorratsdatenspeicherung einen verstärkten Einsatz von Verschleierungstechniken durch Straftäter, wodurch selbst bei konkreten Verdacht schwerster Straftaten eine richterlich angeordnete Überwachung nicht mehr möglich ist (z.B. bei Anonymisierungsdiensten). Nach Inkrafttreten des verfassungswidrigen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung ist die Aufklärungsquote bei Internetdelikten zurückgegangen, nicht angestiegen.

Mein Fazit: Die angebliche „fachliche Notwendigkeit“ einer Vorratsdatenspeicherung existiert nicht. Die „Fachwelt“ ist geteilter Meinung. Während sich die interessierten Ermittlungsinstitutionen verbreitet für eine Totalerfassung aller Verbindungsdaten aussprechen, haben unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen keinen Beleg dafür finden können, dass dadurch merklich mehr Straftaten aufgeklärt würden. In Anbetracht der katastrophalen Nebenwirkungen einer Abschaffung spurenloser Kommunikation u.a. auf Beratung, Hilfe, Presse und politische Aktivitäten müssen die Pläne zur Wiedereinführung einer flächendeckenden verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung gestoppt werden.

Leider wollen SPD, CDU und CSU ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorlegen, sobald der Europäische Gerichtshof über den Fortbestand der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung entschieden hat. Das Urteil ist in den nächsten Wochen zu erwarten. Wir sollten diese Zeit nutzen, um Widerstand zu leisten.

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.