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Hektik zum Datenschutz in der Arbeitswelt

Posted by Michael on 15. Januar 2013
Posted in: Allgemein.

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Was ist Sache?

In 2010 wurde seitens der Bundesregierung eine markante Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vorgeschlagen, der insbesondere den so genannten „Beschäftigtendatenschutz“ neu regeln sollte.

Es geht um Überwachung der Beschäftigten von Arbeitgeber, Konzernen und Vorgesetzten und betrifft Fragen wie z.B.

  • Videoüberwachung von Arbeit in Betrieben und Büros,
  • Erfassung und Sammlung von persönlichkeitsprofilbildenden Daten,
  • das Scannen betrieblicher und privater E-Mails von Mitarbeitern,
  • das Recht von Arbeit“gebern“ auf ärztliche Untersuchungen an ihren Arbeitern und Angestellten
  • bis hin zu innerbetrieblicher privat betriebener Polizeiarbeit und konzerninterne Strafverfolgung oder gar Rasterfahndung.
  • Und vieles mehr.

Der Entwurf von 2010 wurde heftig kritisiert, Datenschützer, Arbeit“nehmer“-Verbände und Oppositionsparteien brachten zahlreiche Kritik vor bis zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit (Stichwort Petitionsrecht).

Ende 2010 verstummte plötzlich die Diskussion um das Gesetz.

Zwei Jahre lang passierte gar nichts, die Kritik am Inhalt wurde ausgesessen und nun soll das Gesetz binnen weniger Wochen plötzlich die letzten noch fehlenden Gesetzgebungs-Stationen passieren und Anfang Februar in Kraft treten!

Was soll das?

 

Aufklärung tut not – Aktivisten eröffnen einen Themenblog

Eine Gruppe aus engagierten und kompetenten Aktivisten hat in aller Eile ein Webportal eingerichtet und informiert über die Hintergründe zur Sache.

Die dort sich ansammelnden Beiträge sind sehr informativ und geben den Stand der Kritik von verschiedenen Seiten beleuchtet gut wieder.

Aktuell finden sich dort lesenswerte Beiträge von:

  • Peter Wedde, Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft
  • Thomas Klebe, IG Metall
  • Piratenpartei
  • Bündnis 90/Die Grünen
  • Thilo Weichert, Landesdatenschutzbeauftragter Schleswig Holstein
  • Jan Korte, Die Linke

Werner Hülsmann hat eine hilfreiche Synopse der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen erarbeitet.

(Warum kann uns unsere Bundesregierung eigentlich nicht mal so ein wichtiges Dokument erarbeiten?)

Monika Heim bietet in ihrem Beitrag eine gute Übersicht über die bisherige Entwicklung der ganzen Chose.

Vor allem bietet die Seite ein Musteranschreiben an, mit dessen Hilfe man sofort Abgeordnete und/oder Verantwortungsträger seiner Wahl anschreiben und auf das drohende Desaster hinweisen kann. Eines der wenigen Mittel, die zur akuten persönlichen Intervention in der Sache bestehen.

 

Stand der Kritik von 2010

Mit Stand vom August 2010 haben wir in der OG Hannover eine Neuauflage des Flyer „Beschäftigten-Datenschutz“ veröffentlicht, in der wir unsere Kritik wie folgt summiert haben:

  • Keine Klärung der offenen Frage, bis zu welchem Punkt die Betriebe Verdächtigungen und Betrugsversuchen eigenständig nachgehen dürfen und ab wann staatliche Strafverfolgungsbehörden (Polizei) einzuschalten sind.
  • Erlaubnis zur innerbetrieblichen Rasterfahndung. Die dort eingefügte Bedingung zur Anonymisierung der Fahndung lässt sich in der Praxis nur schwer umsetzen, einhalten, kontrollieren.
  • Bußgelder oder Sanktionen fehlen, so dass die im Gesetz definierten Grenzen in der Praxis vermutlich kaum eingehalten werden.
  • Bestimmte soziale Netzwerke dürfen im Zusammenhang mit der Prüfung von Bewerbungen nicht mehr durchforstet werden. Welche das genau sind, bleibt ebenso unklar wie die Frage, wie die Einhaltung dieser Regel zu kontrollieren sei. Das ist Symbolpolitik.
  • Erlaubnis zur Erhebung von Daten über die sexuelle Orientierung sollte es grundsätzlich nicht geben dürfen.
  • Regeln zur offenen Videoüberwachung werden faktisch gelockert. Das eigentlich selbstverständliche Verbot heimlicher Videobespitzelung will die Arbeitgeber-Lobby kippen und betreibt eine starke Medienkampagne dazu.
  • Unklare Definition zur Erlaubnis von verdeckten Maßnahmen gegenüber den Angestellten: Nicht jede Straftat rechtfertigt die im Gesetz beschriebenen Datenerhebungen.
  • Es darf grundsätzlich keine Erlaubnis für den Arbeitgeber geben, Inhalte privater Kommunikation zu speichern oder zu benutzen, selbst wenn er darauf hingewiesen hat. Betriebsräte müssen in diesem Zusammenhang auf der Hut sein, entsprechend gute Betriebsvereinbarungen abzuschließen. Das kann bei „schwachen“ Betriebsräten oder in anderen Zusammenhängen schwierig werden…

 

Und was ändert sich jetzt?

Die Bundesregierung preschte mit der Headline „Super: Heimliche Videoüberwachung wird verboten“ vor und versuchte dadurch zu punkten, vor allem aber abzulenken. Dass die öffentliche Diskussion die Abwendung von der Legalisierung verfassungswidriger Überwachungsmaßnahmen für Private nun so langsam richtig stellt ist zwar gut, aber stellt inhaltlich leider nur einen einzelnen Punkt dar – vielleicht war der PR-Ansatz sogar als Nebelkerze gedacht und insofern auch sehr erfolgreich.

Wie fast immer in neuerer Gesetzgebung üblich ist das ganze Gesetzespaket unübersichtlich und für den Laien derart unverständlich und undurchschaubar, dass alleine durch diesen Umstand eine breite öffentliche Diskussion unterbunden wird. Die Masse des Textes und die Raffinesse der Formulierungen erschlagen den unbedarften Leser.

In aller möglichen „Kürze“ ein paar der neuesten Änderungen:

  • Unter gewissen Bedingungen darf das beschäftigende Unternehmen Informationen über Vermögensverhältnisse, Vorstrafen oder laufende Ermittlungen des/der Beschäftigten speichern. Ebenso Daten zu seiner/ihrer „sexuellen Identität.“ Letzteres zu erheben und zu speichern gehört generell verboten! Und Angaben zu Strafverfolgung und Vorstrafen gehören nicht in private Hände. Das erlaubte Befragen eines Arbeitnehmers nach laufenden und völlig offenen Ermittlungsverfahren gegen ihn zersetzt Privatsphäre wie Unschuldsvermutung gleichermaßen.
  • Dem Arbeitgeber wird allgemein erlaubt, sich im Internet der allgemein verfügbaren personenbezogenen Informationen frei zu bedienen, zu speichern und diese zu nutzen. Der Betroffene muss darüber aber nicht informiert werden!
  • Eignungstests müssen nun nicht mehr nach „wissenschaftlich anerkannten Methoden“ durchgeführt werden. Der Durchführung von manipulierenden, einseitigen, manipulierenden oder anderen beliebigen „Psychotests“ nach Wunsch der Unternehmen werden Tür und Tor geöffnet – die eingeräumte „Zweckmäßigkeit“ als Bedingung hierfür wird ganz sicher nicht als Garant dagegen wirken können sondern erlaubt einen weiten Ermessensspielraum.
  • Die Einfügung des Wortes „und persönlich“ an anderer Stelle erlaubt es den Arbeit“gebern“ faktisch, bei angeblichen Überlegungen zu innerbetrieblichen Versetzungen Persönlichkeitsprofile von Arbeitern und Angestellten anzulegen und zu nutzen. Das betrifft zum Beispiel das, was die Arbeitnehmer je nach Gustus unter „soft skills“ wie z.B. „Sozialkompetenz, Teamfähigkeit oder Zuverlässigkeit“ zu definieren meinen zu müssen.
  • Arbeit“geber“ und Unternehmen dürfen ihre Beschäftigtendaten für private Rasterfahndungen einsetzen. Es wird noch nicht einmal die Anoymisieurng der Daten gefordert – eine Pseudonymisierung genügt und ist doch tatsächlich faktisch das gleiche wie eine Nicht-Pseudonymisierung persönlicher Daten. Abgesichert wird diese Maßnahme durch die Bedingung der „Verhältnismäßigkeit“, die zumindest in Vergangenheit nicht ausgereicht hat, um Mißbrauch wesentlich zu verhindern. Zwar soll dieses nun nicht mehr in pauschalisierter Form zur Aufdeckung jeglicher Form von Straftaten genutzt werden dürfen, ob aber die Bedingung des „Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte“ zur Verhinderung einer unternehmensfreundlichen Umdeutung ausreicht, bleibt fraglich. Und die Hinzufügung der Bedingung „oder zur Erfüllung gesetzlicher Prüf- und Kontrollpflichten“ mag manch andere Pforten zur interessengeleiteten umfangreichen Nutzung sensibler Beschäftigtendaten neu öffnen.
  • Die Grenzen dafür, wann auch ohne Kenntnis des Betroffenen Daten über einen Beschäftigten erhoben werden dürfen, werden durch eine Neuformulierung der Bedingungen erheblich aufgeweicht und anhand von subjektivierten, unbestimmten Regeln neu gesetzt. Ein Freibrief für geheimdienstliches Vorgehen der Unternehmen.
  • Die Neueinführung eines „Konzernprivilegs“ erlaubt Konzernen den Datenaustausch über einzelne Unternehmen hinaus. Diese Regelung untergräbt das Prinzip der Mitarbeitervertretung durch Betriebsräte enorm.
  • Die Überwachung von Telefongesprächen von Beschäftigten (z.B. in Call Center, aber nicht nur dort!) wird ausgeweitet und darf von Vorgesetzten auch durchgeführt werden, ohne dass die abgehörten Beschäftigten im Einzelnen darüber informiert werden. Selbstverständlich „nur“ zu „Qualitätssicherungs- und Schulungszwecken“ – von den Auswirkungen dieser potentiellen Dauerüberwachung auf die Menschen keine Rede.
  • Das Fehlen von wirksamen Sanktionen bei Verstößen: Illegal durchgeführte heimliche Videoüberwachung und Bespitzelung genau so schlimm wie Falsch-Parken? o_O

Noch viel mehr wirklich wichtige Punkte lassen sich im detaillierten und verständlich geschriebenen Beitrag von Peter Wedde nachlesen.

 

Zum Abschluß

Meiner Meinung nach stellen sich ein paar grundsätzliche Fragen:

  • Was ist der wirkliche Grund für das überstürzte Handeln und warum scheint eine breite öffentliche Diskussion unerwünscht zu sein?
  • Inwieweit will man es Konzernen und Unternehmen erlauben, als quasi-polizeilich und quasi-geheimdienstlich und ohne Hinzuziehung staatlicher Gewalt zu recherchieren, zu ermitteln, zu rastern, strafzuverfolgen?
  • Welche Erkenntnis ist daraus zu ziehen, dass einige der großen Datenschutzskandale der letzten Jahre mittels der nun vorgeschlagenen Änderungen ganz oder in Teilen faktisch legalisiert oder zumindest akzeptierend gutgeheißen werden?

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung von Micha wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

bild: „Surveillance_video_cameras,_Gdynia.jpeg“ vonPaweł Zdziarski, CC-BY-SA

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2 comments on “Hektik zum Datenschutz in der Arbeitswelt”

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