
Bild von NoCCTV.org.uk – CC-BY-NC
Anlässlich des bevorstehenden 2. Internationalen Aktionstags gegen Videoüberwachung, an dem sich auch zwei Ortsgruppen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung beteiligen, veröffentlichen wir hiermit die aus 2005 stammenden Vertragsvereinbarungen zwischen der Deutschen Bahn AG bzw. ihrer für die Bahnhofsüberwachung verantwortliche DB Station & Service AG und der Bundespolizei.
Die Verträge bergen zwar keine ausgeprägten Sensationen, belegen aber im Detail, wie sehr Bundespolizei und Deutsche Bahn hinsichtlich der Videoüberwachung an Bahnhöfen miteinander verquickt sind.
So darf die Bundespolizei:
- sämtliche Kameras der DB benutzen und bedienen,
- alle Kameras zur Anfertigung von Bild-Aufzeichnungen verwenden,
- dafür alle vorhandenen Schnittstellen nutzen, Strom beziehen,
- Standorte, Einstellungen und sonstige technische Details (z.B. Steuerung, Zoom, Auslösung) der Kameras bestimmen,
- die Räumlichkeiten der Überwachungs-Leitstellen der DB mitbenutzen.
Eine besonderes Augenmerk verdient der in einem knappen Satz daherkomende § 9 unter der Überschrift „Vergütung“:
„Die Gestattung erfolgt unentgeltlich.“
Die Videoüberwachung ihrer Kundschaft als kostenloser DB-Special-Service für die Bundespolizei!
Die Deutsche Bahn AG gibt sich als Mäzen und bezahlt alles – hingegen muss sie die Anschaffung, die Wartung sowie die komplette Infrastruktur inklusive aller stationären Aufzeichnungsgeräte und das Überwachungs-Personal bereitstellen und bezahlen.
(Un)Zulässige Quer-Subventionierung der Bundespolizei?

Bild von NoCCTV.org.uk – CC-BY-NC
Angesichts der jüngst bekanntgegebenen Investitionen für mehr Überwachungskameras an den Bahnhöfen von insgesamt rund 60 Millionen Euro stellt sich damit die Frage, inwiefern die Deutsche Bahn AG damit auf Kosten der Bahnreisenden die staatliche Videoüberwachung quersubventioniert, ob das den Kunden der Bahn überhaupt bewusst und recht ist und ob dieses „Finanzierungsmodell“ zulässig ist …
Schon jetzt erfassen nach eigenen Angaben der DB bundesweit 4.800 Kameras jeden Tag rund 7,5 Millionen Bahnkunden. Es gäbe zwar keine konkreten Hinweise für irgendwelche Anschläge, aber davon ungerührt schwadroniert Bahnchef Grube trotzdem: „Sicherheit steht für uns an erster Stelle.“
Da bleibt die Frage, was er damit meint, denn die Bundesregierung musste vor kurzem auf (kleine) Nachfrage selber zugestehen, dass ihr über etwaige Erfolge bei der Strafverfolgung mit Hilfe ihrer Videoüberwachung „keine Erkenntnisse vorliegen“ hätte. (Siehe auch: „Ein unsäglicher Innenminister“)
Das damit auch nicht unbedingt die Strecken- oder Transportsicherheit des Bahnbetriebes gemeint ist, zeigen die tragischen oder peinlichen Vorfälle mit Hochgeschwindigkeitszügen „ICE“ in den vergangenen Jahren.
Wozu dann das alles?
Die Bahn mauert
Derweil mauert die Deutsche Bahn AG bei Nachfragen zu diesem Thema:
Die Bitte auf Besuch und Diskussion zum Thema Videoüberwachung an Bahnhöfen wurde der hannoverschen Ortsgruppe des AK Vorrat trotz mehrfachen Nachhakens ausgeschlagen. Begründung: Die DB würde ihre Videoüberwachungsanlagen doch nur im Rahmen von „Betreiberverantwortung und Verkehrssicherungspflicht“ nutzen – der eigentliche Ansprechpartner sei bitte schön die Bundespolizei. Diese hat auf die Anfragen der Ortsgruppe aber auch nach Wochen überhaupt nicht reagiert …
Auch der Nachfrage hinsichtlich der Anzahl der am Hauptbahnhof Hannover installierten Überwachungskameras gab man sich „aus Sicherheitsgründen“ schweigsam. Aus diesem Grunde hat die OG Hannover die Anlagen selber kartografiert und nachgezählt: 78 Kamera konnten mit großer Wahrscheinlichkeit der Deutschen Bahn bzw. der Bundespolizei zugerechnet werden. Weitere rund 100 Kameras gibt es in den dort betriebenen Ladengeschäften sowie in dem Teil der unter dem Bahnhof befindlichen Passarelle. Das Dokument dieser Kamerazählung samt Lageplänen wurde veröffentlicht.
(Eine ähnliche Bestandaufnahme gibt es nun aber auch für den Berliner Bahnhof am Kottbusser Tor – dort fanden die Aktivisten 57 Kameras vor.)
Die Bahn macht einen auf Datenschutz

Bild von NoCCTV.org.uk – CC-BY-NC
Schließlich scheint die Deutsche Bahn AG nicht besonders viel für die Einhaltung gesetzlicher Standards übrig zu haben, denn die gesetzlich vorgeschriebene Beschilderung der Bahnhof-Außenkameras fehlt an – soweit bekannt – allen mit derartigen Überwachungssystemen ausgerüsteten Bahnhöfen!
Auf einen konkreten Fall am S-Bahnhof Berlin-Friedrichsstraße angesprochen reagierte das „Servicemanagement“ zwar sehr schnell und versprach Besserung, doch auch Wochen später hatte sich nichts an der Situation geändert.
Der Berliner Datenschutzbeauftragte wurde deswegen dazu angeschrieben und gebeten, sich der Sache anzunehmen.
Die Sicherheit von Videoüberwachungssystemen
Aufgrund der zunehmenden Vernetzung von Videoüberwachungssystemen werden diese Anlagen immer anfälliger gegen unerwünschten Zugriff und Manipulation von außen.
Hingewiesen sei auf einen gestern bekannt gewordenen Fall eines Sicherheitsproblems eines renommierten Anbieters „hochwertiger“ Videoüberwachungstechnik: Ein über das Internet getätigte Angriff ermögliche Unbefugten den vollumfänglichen Zugriff auf die Überwachungssysteme. Die Liste der Präferenzkunden, die diese anfälligen Systeme einsetzen ist lang und reicht von einer ägyptischen Fluglinie, einer chinesischen Bank, der U-Bahn in der georgischen Hauptstadt Tiflis und einem indischen Erdölkonzern bis hin zur japanischen Polizei oder dem kolumbianischen Militär …
… da hat es die „Sicherheitsindustrie“ mit der „gefühlten Scheinsicherheit“ mal wirklich ernst gemeint.
Bilder: Die Bilder stammen von der britischen, videoüberwachungs-kritischen Bürgerrechtsbewegung NoCCTV und kündigen deren diesjährige Aktionen zum morgigen Samstag, dem Internationalen Aktionstag an. Lizenz der Bilder: CC-BY-NC
Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung von Micha wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.