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All posts for the month März, 2012

Kurz nach der Nominierung Joachim Gaucks zum Kandidaten des Bundespräsidenten begann ein heftiges Diskutieren und Spekulieren über die Bedeutung vormaliger Äußerungen über Sinn und Verhältnismäßigkeit einer etwaigen Neueinführung der Vorratsdatenspeicherung.

Als Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung entschlossen wir uns daher dazu, auf Herrn Gauck zuzugehen und das persönliche Gespräch zu suchen. Am 22. Februar 2012 schickten wir Herrn Gauck einen offenen Brief mit der Bitte um ein Treffen, um unsere Sicht der Dinge, unsere Argumente und unsere Bedenken vortragen und austauschen zu können.

Nun erhielten wir vor kurzem Antwort des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“dessen Vorsitz Herr Gauck innehält :

Man bittet uns darum, unsere Anfrage „gegebenenfalls ab dem 19.03.2012“ an das Bundespräsidialamt zu senden.

Wir werden also Herrn Gauck noch einmal einen Brief schreiben, ganz unabhängig davon, ob er zum Bundespräsidenten gewählt wird oder nicht …

Blog-Beitrag von Michael – Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder

Das EU-Parlament diskutiert schon seit langem ein Abkommen zu „Passenger Name Records“ (PNR) – zu deutsch ein Abkommen zur Erfassung und zum Austausch von Fluggastdaten in der EU. Die Verhandlungen sind nun an einem kritischen Punkt angelangt. Noch in dieser Woche dürfte sich entscheiden, ob das Abkommen eine Mehrheit im EU-Parlament finden wird.

 

Während Grüne, Liberale und Linke gegen das umstrittene Abkommen stimmen wollen, unterstützt die konservative Fraktion im EU-Parlament den Austausch von PNR-Daten und hat angekündigt, dafür zu stimmen. Die Entscheidung hängt somit nun vom Verhalten der Sozialdemokraten im EU-Parlament ab.

Das Fluggastdatenabkommen kann noch verhindert werden. Es gilt, die EU-Abgeordneten der sozialdemokratischen Parteien davon zu überzeugen, dass das Abkommen eine Gefährdung für Bürgerrechte und informationelle Selbstbestimmung ihrer Wähler darstellt. Die Abstimmung über das PNR-Abkommen wird am 27. März im LIBE- (Innen-)Ausschuss und Anfang April im Plenum des Parlaments stattfinden. Die nächsten Tage entscheidet darüber, ob das Abkommen durchkommt oder nicht. Es ist die letzte Chance, um Fluggastdatenspeicherung auf EU-Ebene zu verhindern.

 

Ruft Eure Abgeordneten an, schreibt Mails oder nutzt ganz altmodisch das Fax. Eine Liste der Abgeordneten und einen Musterentwurf für einen Brief findet Ihr im Netz.

 

Blog-Beitrag von Katta – Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.

Vor einigen Wochen ist die „2., erweiterte Fassung“ einer Studie des Max-Planck-Instituts veröffentlicht worden, wonach das Ende der verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung in keinem Bereich zu „Schutzlücken“ geführt hat. Der Spiegel berichtet nun, die erste Fassung des Abschlussberichts aus dem Jahr 2010 habe sich noch für die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Um diesen Sinneswandel zu erklären, ist es nötig, die Hintergründe zu beleuchten:

Dass sich die erste Fassung tendenziell noch für eine Vorratsdatenspeicherung aussprach, ist kein Wunder, wenn man ihre Grundlage berücksichtigt: Grundlage waren damals noch einzig Gespräche der Forscher mit Polizei und Staatsanwälten. Polizisten und Staatsanwälte behaupten seit jeher unbeirrt von allen Zahlen die Erforderlichkeit einer Vorratsdatenspeicherung. Als Grundlage für eine wissenschaftliche Evaluierung waren diese „Experteninterviews“ schlichtweg ungeeignet. BKA und Staatsanwälte können nur ihre subjektive Wahrnehmung schildern. Ob und in wievielen Fällen die Vorratsdatenspeicherung tatsächlich Einfluss auf Ermittlungsverfahren hatte, können sie nicht wissen, weil ihnen ein statistisch valider Überblick fehlt.

Das Bundesjustizministerium hat den ersten, unkritischen Bericht deshalb zur Nachbesserung und Erweiterung an das Max-Planck-Institut zurückgegeben. Erst die zweite Fassung hat dann – zurecht – die unveränderten Aufklärungsquoten in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den Mittelpunkt gestellt. Erst in die zweite Fassung sind empirische Daten aus der Auswertung von Ermittlungsakten eingeflossen. Erst jetzt wurde die mangelnde empirische Aussagekraft von Einzelinterviews klargestellt. Folgerichtig kam diese Fassung dann zu dem richtigen Ergebnis, dass das Ende der verdachts- und wahllosen Vorratsdatenspeicherung keinen erkennbaren Einfluss auf die Zahl der begangenen und den Anteil der aufgeklärten Straftaten in Deutschland hatte.

Das Bundesjustizministerium muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ursprünglich eine ungeeignete Untersuchung in Auftrag gegeben zu haben, in deren Mittelpunkt bloße subjektive Wahrnehmungen einer interessierten Seite – der Ermittler – stehen sollte. Nachdem dieser Ansatz zu einem erwartungsgemäß untauglichen Ergebnis führte, erweckt es den Eindruck einer politischen Einflussnahme auf unliebsame Forschungsergebnisse, dass die Untersuchung nachträglich auf eine wesentlich andere Grundlage gestellt werden musste und davon ausgehend – richtigerweise – zu einem anderen Ergebnis gekommen ist. Leider beschädigt dieses Hin und Her das Vertrauen in das Ergebnis. Hätte das Ministerium sogleich den richtigen Untersuchungsauftrag erteilt, wäre das nicht passiert. Da die Untersuchung geheim in Auftrag gegeben wurde, konnten wir den Fehler im ursprünglichen Design der Studie nicht auffinden und melden.

Politische Einflussnahme auf staatlich beauftragte Forschungsberichte hat in Deutschland Tradition: 2007 hielt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ein Gutachten zur Vorratsdatenspeicherung zurück, damals weil es kritisch ausgefallen war. Erst nachdem der Bundestag das verfassungswidrige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet hatte, wurde die Studie veröffentlicht, wonach auch ohne Vorratsdatenspeicherung 96% aller Verkehrsdatenabfragen erfolgreich waren.

Um politische Auftragsforschung in Zukunft zu verhindern, ist zu fordern, dass künftig anstelle von Regierungsbehörden eine dem Bundestag unterstellte, unabhängige Deutsche Grundrechteagentur Evaluierungen durchführt.

Siehe auch:

Ergänzung vom 26.03.2012:

In einer Pressemitteilung vom 13.03.2012 erläutert das Max-Planck-Institut, wie es zu den unterschiedlichen Fassungen gekommen ist und welche weiteren Untersuchungengegenwärtig noch durchgeführt werden.

Blog-Beitrag von Patrick – Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.