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Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung unterstützt den folgenden Aufruf an Bundestagsabgeordnete und Mitglieder der SPD und ruft zur weiteren Unterstützung und Unterzeichnung auf unter: www.vorratsdatenspeicherung-stoppen.de

Mitglieder der SPD werden am 20.06.2015 auf ihrem Parteikonvent über zahlreiche von der Parteibasis eingereichte Anträge zu entscheiden haben, die den von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung ablehnen.

Auf Initiative der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. haben  sich verschiedene Organisationen und zahlreiche Einzelpersonen wie etwa die Juso-Vorsitzende Johanna Ueckermann mit dem Aufruf “Vorratsdatenspeicherung stoppen! Sie haben es in der Hand.” an die Mitglieder und Bundestagsabgeordneten der SPD gewandt.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner fordern: “Bereiten Sie diesem Überwachungswahnsinn ein Ende! Stimmen Sie auf dem Parteikonvent am 20.06.2015 und im Deutschen Bundestag gegen die Vorratsdatenspeicherung!”

Der Aufruf kritisiert die von der Bundesregierung geplante Regelung als “weiteren Schritt in die vollständige digitale Überwachung”, für deren Notwendigkeit es keine überzeugenden Gründe gebe. “Weder können durch sie Straftaten vermieden, noch in nennenswertem Umfang mehr Straftaten aufgeklärt werden. Gegenteilige Äußerungen von Befürwortern sind Behauptungen ins Blaue hinein und empirisch nicht belegt. Die bloße Wiederholung der Behauptung, die Vorratsdatenspeicherung sei notwendig, rechtfertigt aber die mit ihr verbundenen tiefgreifenden Grundrechtseinschränkungen nicht. Die Vorratsdatenspeicherung ist nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig.” Weiter weist der Aufruf auf Gefahren für die Datensicherheit und die Tätigkeit von JournalistInnen, BloggerInnen und WhistleblowerInnen hin.

Ab heute kann der Aufruf unter www.vorratsdatenspeicherung-stoppen.de von weiteren Organisationen und Einzelpersonen unterzeichnet werden.

Wir bitten um Unterstützung dieses Aufrufs durch Vereinigungen und Einzelpersonen.

Folgende Organisationen unterstützen den Aufruf (Stand 3.06.2015):

  • Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
  • Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (Ver.di)
  • Digitalcourage e.V.
  • Humanistische Union e. V.
  • Internationale Liga für Menschenrechte e. V.
  • Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
  • Load e.V.
  • Neue Richtervereinigung e.V.
  • Republikanischer Anwältinnen- und Anwaltsverein e. V.
  • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.

www.vorratsdatenspeicherung-stoppen.de

Da der Bundesrat gerade über den Entwurf des IT-Sicherheitsgesetzes berät, habe ich die Mitglieder auf die Problematik der „freiwilligen Vorratsdatenspeicherung“ aufmerksam gemacht:

Sehr geehrte…,

dem Bundesrat liegt zurzeit der Regierungsentwurf eines IT-Sicherheitsgesetzes zur Beratung vor (BR-Drucksache 643/14).

Hochproblematisch ist die darin vorgesehene Änderung des § 100 des Telekommunikationsgesetzes. Diese Vorschrift ermächtigt Telefon-, Mobiltelefon- und Internetzugangsanbieter laut Bundesgerichtshof schon heute, Telekommunikationsdaten für eine gesetzlich nicht bestimmte Dauer zur Erkennung etwaiger zukünftiger Störungen auf Vorrat zu speichern. Diese Vorratsdaten werden tatsächlich aber unter Durchbrechung der Zweckbindung genutzt, um Internet-Anschlussinhaber wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen millionenfach abzumahnen und um tausendfach Auskünfte an Sicherheitsbehörden zu erteilen (z.B. Funkzellenabfragen, Bestandsdatenauskünfte).

Das IT-Sicherheitsgesetz lässt diese Mängel nicht nur fortbestehen, es soll die Datenspeicherung sogar noch ausweiten – mit nicht absehbaren Folgen. Künftig sollen hochsensible Verbindungs- und Bewegungsdaten schon dann gespeichert werden dürfen, wenn Maßnahmen Verfügbarkeitsbeeinträchtigungen oder unerlaubte Zugriffe nach sich ziehen „können“. Schadsoftware oder Spam rechtfertigen es nicht, das Recht auf Anonymität im Netz generell zu zerstören, anstatt anlassbezogen gegen Verursacher vorzugehen.

Die vage neue Formulierung dürfte mit dem Bestimmtheitsgebot unvereinbar sein. Sie dürfte auch unverhältnismäßig sein, denn ihr fehlt jegliche Höchstfrist und wirksame Zweckbindung der Daten. Außerdem dürfte sie mit der EU-Richtlinie 2002/58 über den Datenschutz in der Telekommunikation unvereinbar sein, die vom Grundsatz der Verkehrsdatenlöschung mit Verbindungsende nur sehr enge Ausnahmen zulässt (siehe Erwägungsgrund 29).

§ 100 Abs. 1 TKG verfehlt in alter wie geplanter neuer Fassung die verfassungsrechtlichen Anforderungen bei weitem (näher meine Aufsätze in RDV 2004, 147 und MMR 2011, 573): Danach darf eine automatisierte Datenerfassung „nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden“. Begriffe wie „erforderlich“ oder „sachdienlich“ stellen keine hinreichende Eingriffsschwelle dar (BVerfG, MMR 2008, 308, 308; BVerfG, NVwZ 2007, 688, 691). Das „strikte Verbot der Sammlung personenbezogener Daten auf Vorrat“ ist zu gewährleisten (BVerfG, MMR 2006, 531). Eine „enge und konkrete Zweckbindung“ muss gesetzlich angeordnet werden (BVerfGE 100, 313, 385 f.). Dem Bundesverfassungsgericht liegt aktuell eine Verfassungsbeschwerde wegen § 100 TKG vor: http://www.ndr.de/nachrichten/Klage-gegen-Daten-Sammelwut-der-Telekom,telekom236.html

Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung zur „Störungserkennung“ unterbleibt und die bestehende Regelung des § 100 Abs. 1 TKG beschränkt wird auf eine Datenspeicherung „im Einzelfall“. Formuliert werden könnte die Vorschrift beispielsweise wie folgt:

„Liegen dem Diensteanbieter im Einzelfall zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass bestimmte Nutzer seine zur Bereitstellung seines Dienstes genutzten technischen Einrichtungen stören, darf er die Nutzungsdaten dieser Nutzer über das Ende des Nutzungsvorgangs hinaus nur erheben, speichern und nutzen, soweit dies zur Beseitigung der Störung erforderlich ist. Eine Verwendung der Daten für andere Zwecke ist unzulässig. Die Maßnahme kann auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar mitbetroffen werden. Der Diensteanbieter hat die Daten unverzüglich zu löschen, wenn die Voraussetzungen nach Satz 1 nicht mehr vorliegen oder die Daten zur Störungsbeseitigung nicht mehr benötigt werden. Nach Satz 3 gespeicherte Daten sind spätestens nach 24 Stunden zu löschen. Der betroffene Nutzer ist zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des mit der Maßnahme verfolgten Zweckes möglich ist.“

Mit freundlichem Grüßen

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

The Commission has released documents showing that DG Justice harshly criticised the Data Retention Directive even while the Commission was defending it in Court.

According to a DG Justice statement of 2012,

  • the evidence -both qualitatively and quantitatively- provided in support of [the Directive] was „insufficient“
  • data preservation – ‚quick freeze‘ and ‚quick freeze plus‘ – was „a measure much less invasive in the fundamental rights of much less individuals and is therefore more proportionate than the current rules of Directive 2006/24/EC“

The Commission chose not to disclose those observations to the European Court of Justice but instead submitted observations according to which

  • „considerable empirical evidencen attests that data retention is valuable, and in some cases indispensable, for investigating and prosecuting crime“
  • data preservation was „less effective than data retention in combating crime“
  • „Directive 2006/24 strikes an appropriate balance between the requirements of law enforcement and the need to keep interference with privacy to a minimum by requiring only traffic and location data“

I find it striking that the Commission internally knew well about the disproportionality of blanket data retention but still defended it in Court as though no doubts existed whatsoever. Subsequently to the annullment, Commissioner Malmström even had the cheek to claim that the judgement „confirms the critical conclusions in terms of proportionality of the Commission’s evaluation report of 2011 on the implementation of the data retention directive.“

This is so sickeningly dishonest.

All documents obtained in relation to the ECJ judgement on data retention

The information and views set out in this post are those of the author and do not necessarily reflect the opinion of the Working Group on Data Retention (AK Vorrat).

Nach jahrelangem Kampf der internationalen Bürgerrechtsbewegung hat der EU-Gerichtshof die EU-Richtlinie zur flächendeckenden und anlasslosen Protokollierung unseres Telekommunikations- und Bewegungsverhaltens, die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, im April für grundrechtswidrig und nichtig erklärt. Doch welche Auswirkung hat die Nichtigkeit der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf die fortbestehenden nationalen Umsetzungsgesetze?

Nachdem schon der Verfassungsgerichtshof Österreichs mit Urteil vom 27. Juni 2014 das österreichische Umsetzungsgesetz für verfassungswidrig erklärt hatte, hat auch das Verfassungsgericht Sloweniens mit Urteil vom 3. Juli 2014 das dortige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gekippt. Da diese Entscheidung nur auf slowenisch vorliegt und bisher in Deutschland keine Beachtung gefunden hat, soll sie an dieser Stelle näher beleuchtet werden.

In Slowenien hatte die Datenschutzbeauftragte das Verfassungsgericht angerufen. Das Verfassungsgericht hat mit Urteil vom 3. Juli die slowenischen Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung insgesamt aufgehoben und die sofortige Löschung der auf dieser Grundlage gespeicherten Daten angeordnet.

Die Leitsätze des Urteils lauten übersetzt:

Die verpflichtende und unterschiedslose Vorratsspeicherung bestimmter Verkehrsdaten aller Kommunikationsvorgänge der Festnetztelefonie, der Mobilfunktelefonie, des Internetzugangs, der E-Mail-Kommunikation und der Internettelefonie (für 14 bzw. 8 Monate) durch Telekommunikationsanbieter entstehen große Sammlungen personenbezogener Daten der Nutzer dieser Dienste, aus denen sehr genaue Rückschlüsse über das Privatleben der Betroffenen gezogen werden können. Eine solche Datenverarbeitung greift in das Individualrecht auf Schutz personenbezogener Daten ein (Artikel 38 Absatz 1 der Verfassung).

Die verpflichtende und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten greift erheblich in das Recht auf Schutz personenbezogener Daten ein in Anbetracht der Menge betroffener Menschen, der Art der zu speichernden Daten und des Umstands, dass die Schaffung großer Sammlungen personenbezogener Daten der gesamten Bevölkerung das Risiko eines illegalen Zugriffs auf diese Daten erheblich erhöht. Die Tiefe des Grundrechtseingriffs beruht maßgeblich darauf, dass die Personen, deren Daten gespeichert werden, über Speicherung und mögliche spätere Nutzung der Daten nicht in Kenntnis gesetzt werden, so dass die Vorratsdatenspeicherung in ihnen das diffuse Gefühl des Beobachtetseins entstehen lässt, welches sich auf die Ausübung anderer Rechte auswirken kann, besonders auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und Information (Artikel 38 Absatz 1 der Verfassung).

Der Gesetzgeber verfolgte mit dem Eingriff in den Datenschutz ein legitimes Ziel, nämlich die Verhütung, Aufklärung und Verfolgung schwerer Strataten, die Landesverteidigung und den Schutz der nationalen Sicherheit mit dem Ziel, Menschenrechte, Grundfreiheiten sowie andere grundlegende Rechtsgüter gegen rechtswidrige Angriffe zu schutzen.

Die angefochtene Maßnahme ist auch geeignet, diese Ziele zu erreichen, wenngleich in bestimmten Fällen wegen technischer Umgehung oder des anonymen Gebrauchs von Telekommunikationsdiensten das Ziel in einem gewissen Umfang nicht erreicht werden kann. Die Maßnahme ist unangemessen, wenn das Mittel nicht in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Ziel steht oder wenn sich das Ziel mit dem Mittel überhaupt nicht erreichen lässt.

Die angefochtene Maßnahme ist nicht erforderlich. Eine verpflichtende und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten greift zwangsläufig hauptsächlich in die Rechte derjenigen ein, die in keiner auch nur mittelbaren Beziehung zu den Zielen der Speicherung stehen und keine Veranlassung für den Eingriff in den Schutz ihrer Daten gegeben haben. Dabei werden selbst solche Kommunikationsvorgänge gespeichert, deren Vertraulichkeit oder Anonymität erforderlich ist um den Zweck der Kommunikation zu erreichen. Die angefochtene Verordnung beschränkt die Vorratsdatenspeicherung nicht auf einen begrenzten Zeitraum, auf eine geografische Gegend oder auf eine Gruppe von Personen, die in einer bestimmten Beziehung zu dem Ziel der Maßnahme stehen. Der Gesetzgeber hat die Gründe für seine Wahl einer Speicherdauer von 14 Monaten bezogen auf Telefondienste und acht Monaten bezogen auf andere Dienste nicht erklärt, so dass kein Grund dafür ersichtlich ist, warum nicht auch eine kürzere Speicherdauer dem verfolgten Zweck Rechnung tragen könnte. Die Maßnahme ist nicht erforderlich, weil die Verarbeitung der Daten nicht auf die Ermittlung, Aufdeckung und Verfolgung schwerer Straftaten beschränkt ist. Weil der Gesetzgeber mit der Anordnung einer verpflichtenden Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten erheblich in das Recht auf Schutz personenbezogener Daten eingegriffen hat, ohne die Voraussetzungen dieses Eingriffs sorgfältig auf das unbedingt erforderliche Maß zur Erreichung des Zwecks beschränkt zu haben, hat er unverhältnismäßig tief in das Recht auf Schutz personenbezogener Daten nach Artikel 38 Absatz 1 der Verfassung eingegriffen. Deshalb ist die angefochtene Verordnung verfassungswidrig.

In den Entscheidungsgründen wird die Argumentation der Datenschutzbeauftragten als Antragstellerin zusammengefasst, die sehr interessant ist: Verkehrsdaten sollten ihrer Auffassung nach denselben Schutz genießen wie der Inhalt der Telekommunikation – ein Standpunkt, den die heutigen Verwendungsmöglichkeiten von „Metadaten“ zwingend erforderlich machen, der im deutschen Recht aber bislang nicht angekommen und akzeptiert ist. Die Datenschutzbeauftragte hat auch argumentiert, nur eine signifikant höhere Aufklärungsquote bei schweren Straftaten könnte eine Maßnahme wie eine unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung rechtfertigen – bekanntlich hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in keinem einzigen EU-Land eine Erhöhung der Aufklärungsquote durch Einführung einer Vorratsdatenspeicherung feststellen können.

Das Verfassungsgericht prüft die Vereinbarkeit mit Europarecht ausschließlich anhand der TK-Datenschutzrichtlinie 2002/58/EG, deren Artikel 15 nationalen Gesetzen zur Vorratsdatenspeicherung nicht entgegen stehe (ich bin dagegen der Meinung, dass diese Bestimmung nur eine anlassbezogene Speicherung abdeckt). Das Verfassungsgericht vertritt die Auffassung, Europarecht stehe nationalen Gesetzen zur Vorratsdatenspeicherung nicht entgegen. Es misst das nationale Gesetz nicht an der EU-Grundrechtecharta und ihrer Auslegung durch den EuGH, ohne dies zu begründen (vielfach wird dagegen die Auffassung vertreten, nationale Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung müssten sich an der EU-Grundrechtecharta messen lassen).

Die Unvereinbarkeit mit der slowenischen Verfassung stützt das Verfassungsgericht – wie zuvor schon der EuGH – auf eine Reihe von Gründen, die in den Leitsätzen zusammengefasst sind. Zwei Absätze aus den Urteilsgründen möchte ich wörtlich übersetzen, weil sie sich gegen das Prinzip einer anlasslosen und unterschiedslosen Vorratsdatenspeicherung als solches richten:

24. Die angefochtene Verordnung sieht eine präventive (vorsorgliche) und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten bestimmter elektronischer Kommunikationsvorgänge vor. Infolge dieses Verfahrens bewahren die Anbieter für eine bestimmte Zeit die Verkehrsdaten aller Nutzer von Telefonie in festen und mobilen Netzen, sowie Daten betreffend Internetzugang, E-Mail und Internettelefonie auf, wie es in Artikel 164 ZEKom-1 vorgesehen ist. In Anbetracht der wachsenden und unterschiedslosen Vorratsspeicherung von täglich anfallenden Daten, erlauben es die riesigen Datenbanken der Anbieter mit 14 oder acht Monate zurück reichenden Daten jederzeit, sehr detaillierte Schlüsse auf das Privatlebens jedes Benutzers dieser Dienste zu ziehen. Da die moderne Kommunikation hauptsätzlich über elektronische Kommunikationsdienste erfolgt, stellt ein solches Verfahren tatsächlich einen sehr tiefgreifenden Eingriff in die Privatsphäre der gesamten Bevölkerung dar, sowohl gemessen an den betroffenen Personen als auch an den zu speichernden Daten. Der Grundrechtseingriff liegt maßgeblich darin begründet, dass eine solch weitreichende Sammlung personenbezogener Daten der gesamten Bevölkerung das Risiko einer Datenverwendung entgegen den gesetzlichen Verpflichtungen der Anbieter nach Artikel 165 ZEKom-1 sowie eines Zugriffs Unbefugter auf die Daten zu illegalen Zwecken maßgeblich erhöht. Ein solches Verfahren berührt die Menschenrechte und Grundfreiheiten des Einzelnen erheblich, weil er über die Speicherung und die mögliche nachfolgende Nutzung seiner Daten nicht informiert wird, was ein Gefühl der Überwachung erzeugen kann. Ein solches diffuses Gefühl der Überwachung kann sich auf die Ausübung anderer Rechte, besonders des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information nach Artikel 39 der Verfassung und Artikel 11 der Charta, auswirken.

25. Eine präventive und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Daten bedeutet naturgemäß, dass hauptsächlich die Rechte von Menschen betroffen sind, die in keiner auch nur indirekten Beziehung zu den Zielen der Vorratsdatenspeicherung stehen oder stehen werden. Wie bei der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung hat auch der slowenische Gesetzgeber sich nicht auf Informationen über diejenigen beschränkt, die in einer vernünftigen und objektiv belegbaren Beziehung zu den Zwecken der Maßnahme stehen. Eine wahllose und vorsorgliche Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten greift notwendigerweise zu einem überwiegenden Teil in die Rechte desjenigen Teils der Bevölkerung ein, der keinen Anlass zu einem solchen Eingriff gegeben hat. Wie der EU-Gerichtshof hervorgehoben hat, trifft dieses zeitlich unbegrenzte Verfahren auch Kommunikationsvorgänge, die ansonsten besonderen Schutz genießen. Das Verfahren lässt die anonyme Nutzung von Kommunikationsmittel in all denjenigen Fällen nicht mehr zu, in denen die vertrauliche und anonyme Nutzung von Kommunikationsmittels notwendig ist um ihr Ziel zu erreichen (z.B. Telefondienste zur Hilfe in psychischen Notlagen). Auch beschränkt die angefochtene Verordnung, ebenso wie die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die Vorratsdatenspeicherung nicht auf eine begrenzte Zeitdauer, geografische Gegend oder Gruppe von Personen, die in einer bestimmten Beziehung zu den verfolgten Zielen der Maßnahme stehen.

In Anbetracht dieser Ausführungen, die denjenigen des EU-Gerichtshofs nahe kommen, verwundert die Einschätzung des Juristischen Dienstes des Rates nicht. Dieser ist neulich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Argumente „nahe legen, dass eine allgemeine, voraussetzungslose Speicherung von Daten künftig nicht mehr möglich ist“. Umso unglaublicher, dass die meisten EU-Regierungen an Gesetzen zur Totalerfassung des Kommunikationsverhaltens der Bevölkerung festhalten und sogar – wie die schwarz-rote Bundesregierung – die Wiedereinführung eines EU-weiten Zwangs zur Vorratsdatenspeicherung betreiben.

Siehe auch:

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

Der Europäische Gerichtshof hat vor wenigen Wochen die EU-Richtlinie zur verdachtslosen Vorratsspeicherung aller unserer Verbindungsdaten als grundrechtswidrig verworfen. Die EU-Kommission prüft jedoch den Vorschlag einer neuen Richtlinie. Entscheidend wird es auf die Position des Europäischen Parlaments ankommen.

Wir haben den 128 127 aussichtsreichsten Kandidaten zum Europäischen Parlament deshalb folgende beiden Fragen gestellt:

  1. Würden Sie Ihre Stimme einsetzen, um gegen eine neue EU-Richtlinie zur verpflichtenden Vorratsspeicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten zu stimmen?
  2. Würden Sie einer EU-Richtlinie zum Verbot der Vorratsdatenspeicherung in allen Mitgliedstaaten zustimmen?

Die Antworten:

Bundesland Name Frage 1 Frage 2 Partei
Baden-Württemberg Wieland, Rainer Nein Nein CDU
Baden-Württemberg Caspary, Daniel CDU
Baden-Württemberg Schwab, Dr. Andreas CDU
Baden-Württemberg Lins, Norbert (nicht erreicht) (nicht erreicht) CDU
Baden-Württemberg Gräßle, Dr. Ingeborg CDU
Baden-Württemberg Ulmer, Dr. Thomas CDU
Baden-Württemberg Gebhardt, Evelyne SPD
Baden-Württemberg Simon, Peter SPD
Baden-Württemberg Heubuch, Maria GRÜNE
Baden-Württemberg Theurer, Michael Ja Nein FDP
Baden-Württemberg Kölmel, Bernd AfD
Baden-Württemberg Starbatty, Prof. Dr. Joachim (nicht erreicht) (nicht erreicht) AfD
Baden-Württemberg Jongen, Dr. Marc AfD
Bayern Westphal, Kerstin Ja Ja SPD
Bayern Ertug, Ismail Ja Nein SPD
Bayern Noichl, Maria SPD
Bayern Hirsch, Nadja Ja Nein FDP
Bayern Händel, Thomas DIE LINKE
Bayern Ferber, Markus Nein Nein CSU
Bayern Niebler, Dr. Angelika CSU
Bayern Weber, Manfred CSU
Bayern Hohlmeier, Monika CSU
Bayern Deß, Albert CSU
Bayern Posselt, Bernd CSU
Bayern Kastler, Martin CSU
Bayern Becker, Barbara CSU
Bayern Doleschal, Christian CSU
Bayern Müller, Ulrike (offen) (offen) FREIE WÄHLER
Bayern Kramm, Bruno PIRATEN
Berlin Zeller, Joachim CDU
Berlin Kaufmann, Dr. Sylvia-Yvonne SPD
Berlin Keller, Franziska Ja Ja GRÜNE
Berlin Bütikofer, Reinhard (Veröffentlichung widersprochen) (Veröffentlichung widersprochen) GRÜNE
Berlin Lochbihler, Barbara Ja Ja GRÜNE
Berlin Cramer, Michael Ja Ja GRÜNE
Berlin Michels, Martina Ja Ja DIE LINKE
Berlin Schirdewan, Martin DIE LINKE
Berlin Fiedler, Malte DIE LINKE
Berlin Giaculli, Paola DIE LINKE
Berlin Henkel, Prof. Dr. h. c. Hans-Olaf (nicht erreicht) (nicht erreicht) AfD
Berlin Storch, Beatrix von AfD
Berlin Voigt, Udo (nicht gefragt) (nicht gefragt) NPD
Berlin Pühse, Jens (nicht gefragt) (nicht gefragt) NPD
Brandenburg Ehler, Dr. Jan Christian CDU
Brandenburg Melior, Susanne SPD
Brandenburg Scholz, Helmut Ja Ja DIE LINKE
Brandenburg Domscheit, Anke PIRATEN
Bremen Schuster, Joachim SPD
Bremen Trüpel, Dr. Helga Ja Ja GRÜNE
Bremen Leonidakis, Sophia Ja Ja DIE LINKE
Hamburg Heintze, Dr. Roland (offen) (offen) CDU
Hamburg Fleckenstein, Knut wohl Ja wohl Nein SPD
Hamburg Albrecht, Jan Philipp Ja Ja GRÜNE
Hamburg De Masi, Fabio Ja Ja DIE LINKE
Hamburg Wiegand, Wolf Achim Ja (keine Antwort) FREIE WÄHLER
Hessen Mann, Thomas CDU
Hessen Gahler, Michael CDU
Hessen Bullmann, Udo SPD
Hessen Werner, Martina SPD
Hessen Kunze, Sylvia Ja Ja SPD
Hessen Häusling, Martin Ja Ja GRÜNE
Hessen Bartelt, Jennifer GRÜNE
Hessen Klinz, Dr. Wolf FDP
Hessen Reda, Julia Ja Ja PIRATEN
Mecklenburg-Vorpommern Kuhn, Werner CDU
Mecklenburg-Vorpommern Hoffmann, Iris (nicht erreicht) (nicht erreicht) SPD
Niedersachsen McAllister, David CDU
Niedersachsen Balz, Burkhard CDU
Niedersachsen Quisthoudt-Rowohl, Dr. Godelieve CDU
Niedersachsen Gieseke, Jens (nicht erreicht) (nicht erreicht) CDU
Niedersachsen Lange, Bernd SPD
Niedersachsen Groote, Matthias SPD
Niedersachsen Hindersmann, Nils SPD
Niedersachsen Harms, Rebecca Ja Ja GRÜNE
Niedersachsen Meißner, Gesine Ja Nein FDP
Niedersachsen Lösing, Sabine Ja Ja DIE LINKE
Niedersachsen Lucke, Prof. Dr. Bernd Ja Nein AfD
Niedersachsen Hampel, Armin-Paulus (nicht erreicht) (nicht erreicht) AfD
Nordrhein-Westfalen Reul, Herbert Nein Nein CDU
Nordrhein-Westfalen Brok, Elmar (nicht erreicht) (nicht erreicht) CDU
Nordrhein-Westfalen Sommer, Dr. Renate CDU
Nordrhein-Westfalen Liese, Dr. Hans-Peter Nein Nein CDU
Nordrhein-Westfalen Verheyen, Sabine CDU
Nordrhein-Westfalen Pieper, Dr. Markus CDU
Nordrhein-Westfalen Voss, Axel CDU
Nordrhein-Westfalen Florenz, Karl-Heinz CDU
Nordrhein-Westfalen Radtke, Dennis (nicht erreicht) (nicht erreicht) CDU
Nordrhein-Westfalen Schulz, Martin SPD
Nordrhein-Westfalen Sippel, Birgit Ja wohl Nein SPD
Nordrhein-Westfalen Geier, Jens SPD
Nordrhein-Westfalen Köster, Prof. Dr. Dietmar (nicht erreicht) (nicht erreicht) SPD
Nordrhein-Westfalen Kammerevert, Petra Ja Nein SPD
Nordrhein-Westfalen Preuß, Gabriele SPD
Nordrhein-Westfalen Hördum, Tine wohl Ja unklar SPD
Nordrhein-Westfalen Dolle, Christoph SPD
Nordrhein-Westfalen Giegold, Sven GRÜNE
Nordrhein-Westfalen Reintke, Theresa Ja Ja GRÜNE
Nordrhein-Westfalen Alberts, Peter GRÜNE
Nordrhein-Westfalen Linnartz, Christine GRÜNE
Nordrhein-Westfalen Lambsdorff, Alexander Graf FDP
Nordrhein-Westfalen Pretzell, Marcus AfD
Nordrhein-Westfalen Amanatides, Fotios Ja Ja PIRATEN
Rheinland-Pfalz Langen, Dr. Werner CDU
Rheinland-Pfalz Collin-Langen, Birgit CDU
Rheinland-Pfalz Thiel, Simone (nicht erreicht) (nicht erreicht) CDU
Rheinland-Pfalz Steinruck, Jutta Ja Nein SPD
Rheinland-Pfalz Neuser, Norbert Ja SPD
Rheinland-Pfalz Franz, Romeo GRÜNE
Rheinland-Pfalz Petry, Manfred FREIE WÄHLER
Saarland Kuhn-Theis, Helma (nicht erreicht) (nicht erreicht) CDU
Saarland Leinen, Josef SPD
Sachsen Winkler, Hermann CDU
Sachsen Jahr, Dr. Peter CDU
Sachsen Krehl, Constanze Ja Nein SPD
Sachsen Ernst, Cornelia Ja Ja DIE LINKE
Sachsen Barlow, Dr. Keith DIE LINKE
Sachsen Rose, Dr. Olaf (nicht gefragt) (nicht gefragt) NPD
Sachsen-Anhalt Schulze, Sven (nicht erreicht) (nicht erreicht) CDU
Sachsen-Anhalt Lietz, Arne (nicht erreicht) (nicht erreicht) SPD
Schleswig-Holstein Böge, Reimer CDU
Schleswig-Holstein Rodust, Ulrike SPD
Schleswig-Holstein Kreft, Enrico SPD
Schleswig-Holstein Reimers, Britta FDP
Schleswig-Holstein Trebesius, Ulrike AfD
Thüringen Koch, Dr. Dieter-Lebrecht CDU
Thüringen Weizsäcker, Jakob von (nicht erreicht) (nicht erreicht) SPD
Thüringen Zimmer, Gabriele Ja Ja DIE LINKE

Erläuterungen:

  • „nicht erreicht“: keine E-Mail-Adresse auffindbar
  • „offen“: Kandidat/in legt sich nicht fest
  • kein Eintrag: Kandidat/in wurde gefragt, hat aber nicht geantwortet

Wir haben dieselben Fragen auch den Parteien insgesamt gestellt, das Ergebnis findet sich hier.

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.