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All posts for the month April, 2013

Wie heise-online heute berichtet, hat das Oberlandesgericht Köln festgestellt, dass das Zollkriminalamt eine rechtswidrige Überwachung praktiziert hat. Das allein wäre schon schlimm genug, aber die Begründung der Verantwortlichen, warum sie das getan hatten, ist – euphemistisch gesagt – bemerkenswert.

Es ging um die Telefon- und Datenverkehrüberwachung eines Verdächtigen, aus der dessen zum geschützten Kernbereich gehörende Kommunikation mit seinem Rechtsanwalt hätte gelöscht werden müssen. Weil aber den Überwachern das Geld für die Hardware fehlte, die das Softwareupdate zum automatischen Herausfiltern und Löschen von Kernbereichskommunikation voraussetzte, haben sie über ein Jahr lang einfach drauf los gespeichet. Und zwar komplett, also auch das, was nach geltender Auffassung des Bundesverfassungsgerichts grundgesetzlich geschützt ist und nicht gespeichert werden darf.

Kurz gesagt: hier wurden vorsätzlich Grundrechte verkauft. Für Geld. Grundrechte, die nicht umsonst das Prädikat ‚unveräußerlich‘ tragen. Und es musste erst ein Gericht bemüht werden, um zu klären, dass so etwas ein Rechtsbruch ist.

Angesichts des eklatanten Mangels von Unrechtsbewusstsein bei den Überwachern erscheinen mir folgende Dinge zwingend erforderlich:

1. Eine vollständige Untersuchung darüber, welche Personen für diese Praktizierung von Unrecht die Verantwortung tragen.

2. Das Entfernen dieser Personen aus ihren Ämtern.

3. Eine unmissverständliche Dienstanweisung der beaufsichtigenden Ministerien an alle in Frage kommenden Stellen der Ermittlungsbehörden, dass derartige Dinge unter Androhung empfindlichster Strafen ohne Wenn und Aber zu unterlassen sind.

4. Die Präsenz der Erkenntnis, dass Überwachungswerkzeuge zu solchen Rechtsbrüchen einladen, in der politischen Diskussion über alte und neue Sicherheitsgesetze.

In all den Protesten der letzten Jahre gegen Vorratsdatenspeicherung und andere Formen von Überwachung haben wir wiederholt auf derartige Gefahren hingewisen. Und ebenso wiederholt wurde dies, wenn nicht gar missachtet, von den Befürwortern scharfer Sicherheitsgesetze vom Tisch gefegt. Diesen Damen und Herren lege ich nahe, sich in einem ruhigen Moment mal über die Folgen ihres Tuns Gedanken zu machen, sollten auch andere von uns genannte Risikoszenarien bittere Realität werden. Es sollte Einigkeit herrschen, dass das vermieden werden muss. Und das geht am besten, in dem man dem die Grundlagen entzieht und Überwachung so weit wie irgend möglich vermeidet.

Der Bundesrat wird Anfang Mai über ein Gesetz zur Auskunft über „Bestandsdaten“, also über IP-Adressen, PINs und Passwörter, abstimmen. Weil Auskunft schon wegen Bagatelldelikten und präventiv erteilt werden soll, sind Bundesweite Demonstrationen am 14.04.2013 / 27.04.2013 geplant. Für Proteste sorgt insbesondere der beabsichtigte Zugriff auf Passwörter („Meine Passwörter gehören mir!“). Leider ist dem Gesetzestext nicht klar zu entnehmen, welche Dienste erfasst sein sollen.

  1. Eindeutig heraus verlangt werden können vom Anbieter vergebene Handy-PINs und PUKs sowie Passwörter zu E-Mail-Konten bei Anbietern wie GMX, web.de oder GMail.
  2. Nach Ansicht des Rechtsausschusses des Bundesrats sind aber auch Internet-Speicherdienste „wie Dropbox, Google Drive etc.“ erfasst. Tatsächlich verpflichtet das Gesetz zur Herausgabe von „Daten, mittels derer der Zugriff auf … Speichereinrichtungen … geschützt wird“. Ich meine, dass Internet-Speicherdienste nicht von der Bestandsdatenauskunft erfasst sind, weil sie keinen Telekommunikationsdienst darstellen. Der Bundesrat – und möglicherweise auch die Praxis – ist da offensichtlich aber anderer Meinung, so dass Zugriffe auf Speicherdienste zu befürchten sind. Auch der Rechtsausschuss des Bundestags spricht von „Zugriffsmöglichkeiten auf Cloud-Dienste ohne das Endgerät“.
  3. Ob Passwörter zu Sozialen Netzwerken wie Facebook oder Microbloggingdiensten wie Twitter erfasst sein sollen, ist unklar. Chat-Dienste werden wohl als Telekommunikationsdienste angesehen. Das Unabhängige Landesdatenschutzzentrum meint, das „Versenden von privaten Nachrichten und … Chatten in öffentlichen und geschlossenen Nutzergruppen“ über Facebook sei als Telekommunikationsdienst anzusehen, so dass eine Bestandsdatenauskunft über Facebook-Passwörter eingeholt werden könnte. Nach dieser Wertung wäre wohl auch Twitter als Dienst zum „Chatten in öffentlichen … Nutzergruppen“ anzusehen.

Das Bestandsdatengesetz droht also genutzt zu werden, um Passwörter zu den folgenden Internetdiensten herauszuverlangen:

  • E-Mail-Postfächer
  • Speicherdienste zum Hochladen von Daten, Fotos usw.
  • Chatdienste
  • Soziale Netzwerke wie Facebook
  • Twitter

Mach mit bei den Bundesweiten Demonstrationen am 14.04.2013 / 27.04.2013!

Dieser Artikel gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und stellt keine Stellungnahme des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung dar.

 

Die EU-Kommission verklagt Deutschland, weil es die grundrechtswidrige EU-Richtlinie zur verdachtslosen Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungsdaten nicht umsetzt. Den in dieser Sache gewechselten Schriftverkehr hält das Bundesjustizministerium aber geheim, weil eine Veröffentlichung die „vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der EU-Kommission gefährden“ würde. Stephan Weinberger hat vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage auf Herausgabe des Schriftverkehrs eingereicht. Das Gericht hat die Erfolgsaussichten der Klage bereits insoweit bestätigt als es Prozesskostenhilfe dafür bewilligt hat.

Mit Verfügung vom 01.03.2013 übt der Bericht erstattende Richter nun deutliche Kritik an der Geheimhaltungspraxis des Bundesjustizministeriums: Es sei

zweifelhaft, ob die Argumentation der Beklagten zu negativen Auswirkungen auf laufende Gerichtsverfahren bzw. zur notwendigen Vertraulichkeit internationaler Beziehungen oder Verhandlungen bezogen auf den mutmaßlichen Inhalt der vorgenannten Schreiben überzeugen kann. Denn diese Schreiben wurden nach der Darstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 7. Februar2013 zur Eingrenzung des Streitgegenstandes für auf ein bevorstehendes Gerichtsverfahren verfasst. Sie dürften daher im Wesentlichen keine vertraulichen Vergleichsvorschläge, sondern eher eine förmliche Wiedergabe der bereits früher von ihren Verfassern vertretenen Auffassungen enthalten. Insoweit ist im Übrigen unter der von den Beteiligten zitierten Fundstelle die Klageerwiderung vom 24. September 2012 öffentlich zugänglich (http://blog.vorratsdatenspeicherung.de/2012/09/30/vorratsdatenspeicherung-bundesregierung-will-umsetzung-vermeiden/), bei deren von objektiven Sachverhaltsdarstellungen und Rechtsausführungen geprägten Inhalt es sich jedenfalls nicht aufdrängt, dass inhaltlich Ausschlussgründe vorliegen könnten. Aus dieser Klageerwiderung (Textziffer 9) ergibt sich ferner, dass das Antwortschreiben der Bundesregierung vom 15. August 2011 jedenfalls auf Seiten 7 – 11 lediglich eine Wiedergabe der einschlägigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts enthalten dürfte.

Die Überlegung, dass die notwendige Vertraulichkeit der in einem Verfahren vor dem EuGH gewechselten Schriftsätze nicht dadurch unterlaufen werden dürfe, dass diesen Schriftsätzen beigefugte Schriftstücke zugänglich gemacht werden, erscheint im Lichte der Rechtsprechung der Kammer und des BVerwG ebenfalls zweifelhaft. Vielmehr haben die Kammer in ihrem Urteil vom 22. April 2010 – VG 2 K 98.09 – und das BVerwG im Urteil vom 3. November 2011 – BVerwG 7 C 4/11 – gerade für von dem hier betroffenen Bundesministeriums verfasste Stellungnahmen angenommen, dass diese in dem Vorgang des Bundesministeriums von einem Anspruch auf Informationszugang erfasst sein können, auch wenn das Informationsfreiheitsgesetz auf den Adressaten der Stellungnahme nicht anwendbar ist. Diese Überlegung dürfte erst recht gelten, wenn außerhalb eines Gerichtsverfahrens gewechselte Schriftstücke in ein Gerichtsverfahren eingebracht werden, in dem die Schriftsätze der Beteiligten möglicherweise europarechtlich vorübergehend vom Informationszugang ausgenommen sein könnten.

Ich weise ferner darauf hin, dass es nach der Rechtsprechung der Kammer grundsätzlich nicht möglich ist, bestimmte Arten von Dokumenten als „Sachgesamtheiten“ allein auf Grund ihrer typischen Eigenschaften und üblichen Fassung ohne Feststellung ihres konkreten Inhalts insgesamt vom informationszugang auszunehmen (vgl. Urteil der Kammer vom 21. Oktober 2010 – VG 2 K 89.09- m.w.N). Ich bitte die Beklagte daher vorsorglich um eine Darlegung, an welcher Stelle der beiden Schreiben bzw. Entwurfe welcher Ausschlussgrund genau jeweils aus welchem Grunde eingreift.

Wie es weiter geht, erfährt man auf fragdenstaat.de.

Zeitgleich habe ich vor dem Europäischen Gericht Klage gegen die EU-Kommission auf Herausgabe von Schriftsätzen zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich erhoben, über die hoffentlich im Laufe des Jahres entschieden wird.

Dieser Artikel gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und ist keine Stellungnahme des AK Vorrat.

der-vds-die-rote-karte-zeigenFast jeden Tag prasseln Pressemeldungen mit Nachrichten zu Datenschutz, Urheberrecht, Zensurgelüsten, ausufernden Überwachungsbestrebungen und weiteren Aspekten aus den Umfeldern von Firmen und Staat auf uns ein. 
Auch wenn es in Deutschland viele Aktive gibt: Manchmal mag man da in der Mailflut den Überblick verlieren. Da ist es gut, sich hin und wieder im realen Raum zu treffen, Bilanz zu ziehen und in Ruhe über die notwendige politische Arbeit zu sprechen.
Verschiedene Menschen und Projekte an einen Tisch bringen – das leistet digitalcourage e.V. auch in diesem Jahr mit dem AktiVCongreZ. Dort können sich Menschen aus unterschiedlichen Projekten und Organisationen aus der Netzbewegung und Menschen, die sich ganz neu engagieren wollen treffen und miteinander reden und planen. Dieses Jahr treffen wir uns in Hattingen im Seminarzentrum des DGB-Bildungswerks [1]. Hier können neue Ideen entstehen, alte Ideen aufgefrischt und wie schon bei den Kongressen zuvor gezielte Aktionen geplant werden. Zum Beispiel wurde beim AKtiVCongrEZ in Hamburg 2011 die Verfassungsbeschwerde gegen ELENA gemeinsam beschlossen.
Und es gibt wahrlich viel zu tun: 
RFID,die Datenschutzreform der EU, Vorratsdatenspeicherung, die Nachfolger von INDECT, der Aktionstag ‚Freedom not Fear‘ in Brüssel … und und und… Einer der Schwerpunkt der Gespräche wird dieses Mal z.B. bei der Frage liegenund die Frage ob und wenn ja wie wir eine Demonstration für Bürgerrechte unter dem Motto „Freiheit statt Angst“ in diesem Jahr veranstalten wollen. Ein erster Entwurf für eine mögliche Tagesordnung findet sich im Wiki des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung [2].
Beim AKtiVCongrEZ treffen sich Leute, die was tun wollen: Bürgerrechtler und Netzaktivistinnen. Auch  Neulinge, die bisher noch noch nicht so erfahren sind, sind willkommen –  für diese planen wir zusätzlich einen „Einsteigerworkshop“, bei dem es einen Einblick in die bisherige Arbeit der ‚digitalen Bürgerrechtsbewegung‘ geben wird.
digitalcourage veranstaltet den AktiVCongreZ in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und dem DGB-Bildungswerk. Deswegen sind im Tagungsbeitrag von 45 Euro Essen, Übernachtung, WLAN, Telefon, Sauna und Schwimmbad enthalten. Die professionelle Moderation übernimmt wieder Wiebke Herding. Das Tagungszentrum in Hattingen liegt in der Nähe von Essen und ist von dort per S-Bahn gut erreichbar.
Wer eine Arbeitsgruppe initiieren möchte und/oder ein Impulsreferat beisteuern möchte, melde sich bitte bei digitalcourage
Die Unterbringung erfolgt in Einzelzimmern, Tickets können im FoeBuD-Shop bestellt werden [3]. Wer zusammen mit seinem Partner oder Partnerin untergebracht werden möchte, bestellt bitte „Unterbringung im Doppelzimmer“ und schreibt im Bestellkommentar den Namen der zusätzlichen Person. Wir versuchen, das möglich zu machen. Eine Kinderbetreuung können wir leider nicht organisieren. Bitte auch angeben, ob vegetarisches Essen erwünscht ist.
Da wir auch einige geförderte Plätze anbieten wollen, bitten wir darum, dass Leute, die es sich eher leisten können, einen erhöhten Tagungsbeitrag zahlen und/oder zusätzlich spenden. Wer sich den Tagungsbeitrag nicht leisten kann, frage bitte bei digitalcourage an: 
Termin:Freitag, 3. Mai 2013, 18 Uhr bis Sonntag 5. Mai 2013, ca. 16 Uhr 
Ort: Tagungszentrum Hattingen, Am Homberg 44-50, 45529 Hattingen