Heute fand in Berlin die Anhörung des Bundestags-Petitionsausschusses zu der von Kai-Uwe Steffens eingereichten Petition statt, die Einsatz und Anstrengung unserer Politiker für ein europaweites Verbot der Vorratsdatenspeicherung gefordert hat.
Dass und wie eindrucksvoll Kai-Uwe Steffens sein von mehr als 64.000 Menschen per Unterschrift unterstütztes Anliegen untermauert und begründet hat, lässt sich z.B. in der heutigen Pressemitteilung des AK Vorrat nachlesen. (Alternativ hier ein dazugehöriger Beitrag von heise.de .)
Vor Beginn der Ausschuss-Sitzung haben Gegner der Vorratsdatenspeicherung mit einer kleinen Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus auf das Anliegen aufmerksam gemacht. Gemeinsam zeigten Sie der Vorratsdatenspeicherung die Rote Karte. (Die Rechtschreibschwäche in der nachfolgenden Buchstabierung der Vorratsdatenspeicherung möge man uns verzeihen! :) ).
Im folgenden die Rede, die wir auf dieser Kundgebung gehalten haben:
Gut einen Kilometer südlich von hier, in der heutigen Niederkirchnerstraße – früher Prinz-Albrecht-Straße, befanden sich zu Zeiten NS-Deutschlands die Zentrale der Gestapo. Das so genannte Reichssicherheitshauptamt hatte dort ebenfalls seinen Sitz.
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Nur wenige Kilometer östlich von hier befand sich in der Normannenstraße / Magdalenenstraße die ehemalige Zentrale der Staatssicherheit. Bis zu 200.000 IM’s haben dafür gesorgt, dass wichtige persönliche Daten über Oppositionelle, Kritiker und Nichtkonforme akribisch zusammengetragen wurden, um zunächst genaue Charakterstudien anzufertigen und dann mit der so genannten Zersetzungsarbeit beginnen zu können.
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Beide Regimes hätten sich die Hände vor Freude wund gerieben, wenn, sie geahnt hätten, welche Möglichkeiten der technischen Überwachung und Datenauswertung heutzutage bestehen. Dass diese Techniken zur Verfügung stehen, können wir heute nicht mehr verhindern. Ob man sich an der Entwicklung von Überwachungstechnologien beteiligen und diese mit milliardenschweren Forschungs- und Rüstungsprogrammen unterstützen will ist eine ganz andere Frage, um die es hier und heute aber nicht gehen soll.
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Aber was würden Sie dazu sagen, wenn jede Begegnung zwischen Menschen, sei es auf dem Spaziergang, in der Straßenbahn, beim Arztbesuch, in der Kirche, auf der Arbeit oder in unseren Wohnungen, unseren Zimmern – wenn also jede dieser Begegnungen von Mensch zu Mensch protokolliert werden würde? Wer hat sich mit wem wo getroffen, wer mit wem Wörter, Unterlagen oder auch nur Gesten ausgetauscht?
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Wie würden Sie es finden, wenn unsere Regierung oder die europäische Union eine solche Datenerfassung per Gesetz vorschreiben würde – und zwar von der gesamten Bevölkerung. Lückenlos und ohne jeden Grund?
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Nein – zugegeben: Das ist nicht das, was sich hinter der Vorratsdatenspeicherung verbirgt.
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Es ist schlimmer!
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Denn die Vorratsdatenspeicherung ist nichts anderes als das eben skizzierte Szenario einer Totalüberwachung aller Kontakte, allerdings eben derjenigen Kontakte, die wir als „Telekomunikation“ bezeichnen und die in dieser Abstraktheit so schwer zu begreifen und begreifbar zu machen ist. Von jedem Telefonat, von jedem Handygespräch, von jeder SMS und jeder Einwahl in das Internet sollen die Verbingungsdaten zwangsweise erfasst und gespeichert werden. Von allen Menschen. Vollständig. Und ohne irgendeinen konkreten Grund.
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Die Erfassung der Handy-Verbindungsdaten enhält zudem die Information, wo sich die miteinander kommunizierenden Menschen in diesem Moment befunden haben.
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Verbindungsdaten sind alles andere als harmlos. Sie lassen sich im Gegenteil sogar besonders leicht automatisiert verarbeiten und zu Bewegungs- und Charakterprofilen verarbeiten. Sie sagen viel mehr aus, als uns manch populistische Politiker oder Behördenvertreter einzureden versuchen.
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Vor allem aber: Immer mehr unseres alltäglichen Lebens spielt sich im Zusammenhang mit Telekommunikation ab. Mehr als das Stichwort „Internet“ brauche ich nicht zu sagen. Wer eine Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen zu verharmlosen versucht verkennt die Mächtigkeit dieser Daten in Verbindung mit anderen leicht zu erhaltenen Informationen von Webseitenbetreibern und Internetkonzernen.
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Die Vorratsdatenspeicherung würde einen Paradigmenwechsel in der deutschen Rechtsgeschichte bedeuten. Sie sorgt für die Schaffung und Vorhaltung einer technischen Überwachungs-Infrastruktur. Sie ist er Anfang vom Ende des Prinzips der Unschuldsvermutung.
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Ohne Kommunikation ist keine Gesellschaft denkbar.
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Ohne die Möglichkeit einer überwachungsfreien Kommunkation verhindern wir, dass sich Menschen zu freien, selbstbestimmten, engagierten Bürgern entwickeln können.
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Weder die EU noch die Bundesregierung haben uns bis heute nachweisen können, dass die Vorratsdatenspeicherung sinnvoll, vernünftig oder verhältnismäßig ist.
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Die Vorratsdatenspeicherung sorgt vielmehr dafür, dass Menschen unter der Glocke der Dauerüberwachung leiden und ihr Verhalten verändern. Weniger frei. Weniger experimentierfreudig und kreativ. Weniger froh.
Wir wollen das nicht. Wir wünschen uns eine lebenswerte Gesellschaft, ein Leben in Freude und im Miteinander – nicht nur innerhalb Deutschlands, nicht nur innerhalb der europäischen Union, sondern weit darüber hinaus!
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Wir werden uns von den populistischen Schachzügen der Profipolitiker mit ihren Schilderungen fürchterlicher Einzelfälle nicht weichspülen lassen.
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Und wir werden uns auch auf keine faulen Kompromisse im Geschacher von Parteien und Lobbygruppen einlassen denn jede Form Vorratsdatenspeicherung ist ein Verrat an den Grundfesten der Ideale von Freiheit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit.
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Und darum sagen wir „Nein“ zur Vorratsdatenspeicherung und zeigen ihr die Rote Karte!
Weitere Informationen:
- Petition von Kai-Uwe Steffens
- Informationsheftchen „Populismen der Vorratsdatenspeicherung richtiggestellt“
- Informationsheftchen „Sicherheit geht vor Sammelwut – Vorratsdatenspeicherung gefährdet Menschenleben“
- Hintergrund-Informationen zur „Evaluation“ der EU-Kommission über die Vorratsdatenspeicherung
Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Michael wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.
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