Ein Kommentar von Michael.
Offener Brief an die Polizeidirektion Hannover
Am vergangenen Samstag fanden in Bad Nenndorf, 30 km vor den Toren Hannovers, sowie in Hannover selber eine ganze Reihe von Protesten von und gegen Rechtsextreme statt.
Diese Demonstrationen wurden von einem großen Aufgebot von Polizeikräften begleitet – insgesamt sollen rund 3.600 Polizisten eingesetzt worden sein, neben Beamten aus Niedersachsen war Unterstützung aus mindestens zwei weiteren Bundesländern (Hamburg, Sachsen-Anhalt) mit dabei.
In einem offenen Brief wendet sich nun die hannoversche Ortsgruppe des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung an die Polizeidirektion Hannover. Die darin enthaltenen 20 Fragen stellen einige – aus der Sicht der Ortsgruppe – fragwürdige Polizeipraktiken und Beobachtungen an diesem Samstag zur Debatte:
- Der Einsatz von filmenden Drohnen über Versammlungen.
- Zum Teil heimliches Fotografieren der Proteste von Polizisten aus einem mehr oder weniger zivilen Fahrzeug heraus.
- Eine nicht-offene und umfangreiche Videoüberwachung von Demonstrationen, deren rechtliche Grundlage umstritten ist.
- Die unnötige Einkesselung, also der Freiheitsentzug von Menschen inklusive einer fast willkürlich erscheinenden Praxis, einzelne Menschen von außerhalb zu ergreifen und dem „Kessel zuzuführen“.
Der offene Brief wurde der Polizeidirektion heute übermittelt.
Gleichzeitig hat der „AK Vorrat Hannover“ eine Pressemitteilung samt Bildmaterial und dem Text des offenen Briefes dazu veröffentlicht.
Der Kern der Angelegenheit
Es geht unter anderem um folgendes:
- Die Polizei darf bei Demonstrationen und Protesten nur unter Einhaltung enger Kriterien fotografierend und filmend auftreten. Und wenn schon, dann auch nur offen und für jeden der Teilnehmer ersichtlich und nachvollziehbar. Heimliche Aufnahmen sind tabu, denn die Polizei ist kein Geheimdienst. (Mal nebenbei: Ob und wie man die Vereinbarkeit von Geheimdiensten mit einem demokratischen Gemeinwesen überhaupt vereinbaren kann, ist eine andere wichtige Frage.)
- Ob Drohnen, Helikopter oder Polizeikameras „nur“ Übersichtsaufnahmen von den Protesten machen oder mehr, ist für die Teilnehmer an einer Demonstration nicht erkennbar. Die Gefahr, dass aus den Sorgen vor identifizierenden Aufnahmen Menschen „lieber nicht“ an Versammlungen teilnehmen, untergräbt das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit und damit die Grundlagen unserer Gesellschaft.
- Der Freiheitsentzug ist ein massiver Eingriff in persönliche Grundrechte eines Menschen. Eine „Ingewahrsamsnahme“ bzw. „Einkesselung“ ist ein solcher Freiheitsentzug und darf nicht zur Standardreaktion der Polizei ohne triftigen Grund verkommen.
Bildmaterial (unter Creative Commons by-sa 2.0)
Polizeifotografien aus einem Auto heraus.
Ist das noch „offene“ Videoüberwachung durch Kameras?
Kameras im Detail und Personal (?) auf dem Dach des 90m-Hochhauses
Weitere Informationen
- Pressemitteilung der Ortsgruppe Hannover vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung inklusive Bilder und dem Text des offenen Briefes an die Polizei.
Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Michael wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.