Im September 2011 hat sich der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung an den Bundestag gewendet, um vor den Auswirkungen einer Gesetzesinitiative zu warnen: In dem von CDU/CSU und FDP vorgeschlagenen Gesetzentwurf zur so genannten „Optimierung der Geldwäscheprävention“ sollte jegliche anonyme Bezahlung im Internet grundsätzlich verboten werden.
Die Furcht von Mißbrauch anonymer Internet-Bezahlmodelle wie z.B. Paysafecard oder UKash sollte deren Aus bedeuten – selbst für kleinere Bezahlsummen war ein Verbot anonymer Online-Bezahlungen geplant.
Anonymes Bezahlen
Die Möglichkeit anonymen Bezahlens ist Teil eines Gesellschaftsentwurfs, in dem anonyme Handlungs- und Bewegungsräume wesentlich sind, damit sich Menschen frei und ohne Dauerüberwachung entwickeln können. Seit Jahren ist aber in der Entwicklung und Fortschreibung von Gesetzen und Regeln mit erschreckender Beständigkeit nur eine einzige Richtung feststellbar: Mehr Überwachung, mehr Kontrolle, mehr Datenspeicherungen.
Diese Tendenz tut uns nicht gut und damit setzen wir als Gesellschaft viel auf’s Spiel.
Das grundsätzliche Verbot des Bezahlens ohne Zwangs-Identifizierung, wie in dem Entwurf der Bundesregierung für den Online-Bereich gefordert, ist ein weiterer Meilenstein auf diesem Weg.
Zudem belegen die Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik, dass die Aufklärungsquote bei Geldwäsche auch ohne diese Gesetzesverschärfung bereits besonders hoch war. Und dafür, dass es überhaupt (nennenswerte) Geldwäsche mittels anonymen E-Geldes gab, sind überhaupt keine Belege vorhanden. Das Vorhaben ist also insgesamt völlig unverhältnismäßig.
Wegen alledem hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung insgesamt 112 Briefe an Wirtschafts-, Innen- und Finanzausschuß des Bundestages sowie an den Staatssekretär des Finanzausschusses, Jörg Asmussen geschrieben. Dazu gab’s dann auch noch eine Pressemitteilung.
Rund zehn Monate ist das nun her.
Was ist daraus geworden?
Der Arbeitskreis hat ein paar einzelne, mehr oder minder gehaltvolle Rückmeldungen aus Berlin erhalten und auch die Bundes- und Landesdatenschutzbehörden setzten sich Ende September 2011 in ähnlicher Weise gegen das Gesetzesvorhaben ein. Im Entschluß der 82. Konferenz der Datenschutzbeauftragten heißt es unter anderem:
Eine generelle Identifizierungspflicht würde außerdem dazu führen, dass anonymes Einkaufen und Bezahlen im Internet selbst bei Bagatellbeträgen praktisch ausgeschlossen werden. Anonyme Bezahlsysteme im Internet bieten ihren Nutzern jedoch Möglichkeiten, die Risiken eines Missbrauchs ihrer Finanzdaten beispielsweise durch Hackerangriffe zu minimieren. Sie sind zugleich ein wichtiger Baustein, um die Möglichkeit zum anonymen Medienkonsum zu erhalten, da Online-Medien zunehmend gegen Bezahlung angeboten werden. Auf jeden Fall muss verhindert werden, dass personenbeziehbare Nutzungsdaten über jeden einzelnen Artikel in Online-Zeitungen oder einzelne Sendungen im Internet-TV schon immer dann entstehen, wenn eine Nutzung gebührenpflichtig ist.
Ohne allzuviel Publicity erfuhr das umfangreiche und unübersichtliche Gesetzespaket dann noch ein paar Veränderungen. Ein grundsätzliches Umdenken, wie dann auch noch von einigen Oppositionsparteien verlangt, erfolgte leider nicht – am 29. Dezember 2011 trat das „Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention“ in Kraft.
Immerhin
Das im gesamten Änderungspaket mit betroffene Kreditwesengesetz erhielt einen zusätzlichen Paragraphen 25i, wonach die weitere Verwendung anonymer Geldbezahldienste möglich bleibt. Wenn auch nur unter den folgenden (drastischen) Bedingungen:
- Je Karte dürfen nicht mehr als 100€ pro Monat umgesetzt werden.
- Auch dürfen je Karte nicht mehr als 20€ des Guthabens in bar ausbezahlt werden.
- Sofern der Besitzer oder Benutzer der „E-Geld-Karte“ jedoch „bereits identifiziert“ ist, müssen ausführliche Informationen zu den Geldtransaktionen erfasst und gespeichert werden.
Vor allem aber:
- Die Absätze 4 und 5 des Paragraphen erlauben bei Verdacht auf mißbräuchliche Benutzung des anonymen Zahlungsmittels die Praktizierung umfangreicher Einschränkung bei der Verwendung des E-Geldes.
Insbesondere die letzten beiden Absätze könnten die gut gemeinten Restfreiheiten anonymer Online-Bezahlungen zur Makulatur werden lassen … die Praxis wird beweisen müssen, ob der § 25i KwG ein Papiertiger ist oder nicht.
Hinweis
Leider sind die Gesetzestexte für „normale“ Menschen fast nicht oder gar nicht lesbar, geschweige denn verständlich. Ich bin also für jeden Hinweis dankbar, falls die im Wiki niedergeschriebene Interpretation falsch ist oder Wichtiges übersehen wurde.
Weitere Informationen
- Pressemitteilung des AK Vorrat vom 16.9.2011 über die Briefkampagne zur Bewahrung der anonymen Bezahlung im Internet
- Wiki- und Mitmachseite des AK Vorrat zum Anonymen Bezahlen
- Broschüre „Ein Recht auf Anonymität? – Über Identifizierungszwang, Bürgerrechte und Anonymität“ des AK Vorrat
- Der „parlamentarische Vorgang“ zum Gesetzentwurf auf den Seiten des Bundestags
- Wiki- und Mitmachseite des AK Vorrat zum Thema „girogo“ – eine andere Entwicklung, die anonymes Bezahlen „offline“ in Zukunft schwieriger werden lassen wird und noch weitere Bedenken aufkommen lässt.
Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Michael wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.